Konversionsmaßnahmen wirkungsvoll unterbinden!

04.04.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Lesben- und Schwulenverband (LSVD).

Aktuelle Studien zeigen: Auch drei Jahre nach Inkrafttreten des Konversionsbehandlungsschutzgesetzes sind Konversionsmaßnahmen präsent. Die Regierungsparteien haben den dringenden Reformbedarf zwar erkannt und eine Novellierung zugesichert, doch es zeichnet sich ab, dass die Ministerien dieses Vorhaben in dieser Legislatur nicht mehr angehen wollen.

Eine Expert*innengruppe aus dem Fachbeirat des Forschungsprojekts „Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken. Biografien" hat am vergangenen Freitag die Ampelregierung mit einem Forderungspapier für die effektive Unterbindung dieser menschenrechtswidrigen Praxis zum Handeln aufgefordert.

Die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität einer Person können durch sogenannte Konversionsmaßnahmen nicht verändert werden. Diese sind außerdem grundsätzlich unethisch und menschenrechtswidrig. Der Gesetzgeber hat deshalb 2020 das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verabschiedet - ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer Ächtung von Konversionsmaßnahmen in Deutschland. Das Gesetz weist jedoch zahlreiche Schwächen auf, und gewährleistet keine ausreichenden Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene. Die Regierungsparteien haben den dringenden Reformbedarf, den die Zivilgesellschaft seit Veröffentlichung des Gesetzes anprangert, zwar erkannt und im Koalitionsvertrag eine Novellierung des Gesetzes vereinbart. Auch der Aktionsplan der Bundesregierung adressiert die Schwächen des Gesetzes ausdrücklich und schlägt konkrete Verbesserungsmaßnahmen vor. Bisher liegen jedoch weder Eckpunkte noch ein Gesetzentwurf vor.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen: Konversionsbehandlungen sind auch über drei Jahre nach Inkrafttreten des Konversionsbehandlungsschutzgesetzes noch präsent. Dr. Klemens Ketelhut, Projektleiter des Forschungsprojekts „Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken. Biografien", erklärt dazu:

Von den fast 3.500 befragten queeren Personen, die sich dazu geäußert haben, erhielten 70 Prozent Vorschläge, die eigene Geschlechtsidentität zu ändern oder zu unterdrücken; 55 Prozent wurde vorgeschlagen, die eigene sexuelle Orientierung zu ändern oder zu unterdrücken. Diese Zahlen machen betroffen.

Diese Vorschläge werden primär von den Eltern oder anderen Mitgliedern der eigenen Familie und in schulischen und religiösen Kontexten gemacht. Aber auch in psychotherapeutischen und beraterischen Settings sowie im klinischen Kontext sind sie noch weit verbreitet. Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigt großen Aufklärungsbedarf bei Psychotherapeut*innen und Seelsorgenden. Alva Träbert aus dem Bundesvorstand des LSVD erklärt dazu:

Die Zahlen machen deutlich, wie verbreitet die Vorstellung noch heute ist, dass sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität durch äußere Einflüsse veränderbar sind. Die Ampelregierung muss ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag mit Nachdruck einlösen und dafür sorgen, dass diese gefährlichen Pseudotherapien effektiv unterbunden werden. Psychische Gesundheitsversorgung muss Patient*innen mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen. Sie hat das Ziel, Leid zu lindern. Konversionsversuche sind das Gegenteil davon.

Auf den zwischenzeitlich vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann bei einer Gesetzesnovellierung aufgebaut werden. Dr. Sarah Ponti, Grundsatzreferentin des LSVD, erklärt dazu:

Konversionsmaßnahmen sind grundsätzlich menschenrechtswidrig. Das Durchführen solcher Maßnahmen muss unabhängig vom Alter der Person, an welcher die Maßnahme durchgeführt wird, verboten sein. Zudem braucht es effektivere Sanktionen. Das Vermitteln von Konversionsmaßnahmen muss als eigener Tatbestand normiert und die Strafbarkeitsausnahme für Fürsorge- und Erziehungsberechtigte muss gestrichen werden. Organisationen, die solche Pseudotherapien anbieten, muss die Gemeinnützigkeit aberkannt werden können.

Die Expert*innengruppe fordert außerdem u. a. die Einrichtung eines Ausgleichsfonds, um Betroffenen den Zugang zu speziellen Therapien, Heil- und Hilfsmitteln zu gewährleisten, die Einrichtung eines Monitorings oder einer öffentlichen Meldestelle für die Aktivitäten von Anbieter*innen im Inland und grenznahen Ausland, die Förderung von Qualifizierungs- und Sensibilisierungs- sowie Bildungsangeboten für beraterische Kontexte und Regelstrukturen, die Förderung des Aufbaus eines Selbsthilfe-Netzwerks sowie eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese Strukturen müssen um ein unabhängiges flächendeckendes Beratungsangebot zu Konversionsmaßnahmen vor Ort ergänzt werden. Zudem sollte die Novellierung des Gesetzes durch eine deutschlandweite Informations- und Kommunikationskampagne begleitet werden, die sich insbesondere auch an die Allgemeinbevölkerung wendet.


Das Forderungspapier wurde erstunterzeichnet von Vertreter*innen der folgenden Organisationen:

  • Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
  • Bundesverband Queere Bildung e.V.
  • Bundesverband Trans* e.V. (BVT*)
  • Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti)
  • Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V. (LSVD)
  • LSBTI-Beauftragung der Stadt Mannheim
  • Mosaik Deutschland e.V.
  • Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Heidelberg
  • PLUS Rhein-Neckar e.V. - Angebote und Beratung zur Vielfalt von sexueller Orientierung und Geschlecht (PLUS)
  • Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie (VLSP*) e.V.

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Bild: Steve Johnson (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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