14.02.2023 — Andreas Riedl. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Dies bedeutet gerade für KMUs, dass sie sich in Zukunft zwingend schon im Vorfeld einer steuerlichen Betriebsprüfung auf die Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation vorbereiten müssen. Ansonsten laufen sie Gefahr, dass die Betriebsprüfer die neugeschaffene Möglichkeit nutzen und schon während der Prüfung Verspätungszuschläge festsetzen. Der Verrechnungspreisexperte Andreas Riedl informiert über die Gesetzesänderung.
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Als Verrechnungspreis wird in der Kosten- und Leistungsrechnung derjenige Preis bezeichnet, der zwischen Gesellschaften eines Konzerns für innerbetrieblich ausgetauschte Güter und Dienstleistungen (z. B. Warenlieferungen, Lizenzen, Darlehen, Managementleistungen) verrechnet wird. Die Besonderheit von Verrechnungspreisen besteht darin, dass sie sich nicht auf einem Markt durch das Kräftespiel zwischen Angebot und Nachfrage bilden. Daher haben sie das Potential, Gewinne zu Konzerngesellschaften zu verlagern, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen.
Vor diesem Hintergrund wurden auf nationaler und internationaler Ebene Regelungen eingeführt, die sicherstellen sollen, dass die gruppeninternen, grenzüberschreitenden Verrechnungspreise wirtschaftlich dem entsprechen, was voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (sog. Fremdvergleichsgrundsatz). Diese Preisermittlung ist vom Steuerpflichtigen zu dokumentieren. Durch die Dokumentationspflicht soll sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet und die Steuerverwaltung die steuerlich relevanten Informationen erhält, um dies zu überprüfen. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Deutschland in § 90 Abs. 3 und 4 AO n.F., in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) und in Ziff. 1.3 der Verwaltungsgrundsätze 2020.
Die Verrechnungspreisdokumentation besteht aus einer landesspezifischen, unternehmensbezogenen Dokumentation (sog. Local File) und - bei einem Unternehmensumsatz ab € 100 Mio. - aus der Stammdokumentation (sog. Master File). Für kleinere Unternehmen gibt es vereinfachte Regelungen. Neben dieser Dokumentationspflicht für laufende Geschäftsbeziehungen sind außerordentliche Geschäftsvorfälle (gesondert) zu dokumentieren.
Bisher war der Steuerpflichtige verpflichtet, die Verrechnungspreisdokumentation nach Anforderung vorzulegen; diese sollte im Regelfall nur im Rahmen einer Außenprüfung erfolgen. Zukünftig kann die Dokumentation jederzeit angefordert werden. Im Falle einer Außenprüfung ist die Dokumentation in Zukunft ohne separate Anforderung vorzulegen. Die Frist beginnt mit der Anforderung oder der Benachrichtigung über die Prüfungsanordnung und beträgt 30 Tage. Für die Vorlage von Local File und Master File verkürzt sich damit die bisherige Frist von 60 Tagen erheblich; für die Dokumentation von außerordentlichen Geschäftsvorfällen galt auch bisher schon die 30-Tage-Frist. Die Regelungen finden sich in § 90 Abs. 3 AO a.F. und § 90 Abs. 4 AO n.F.
Danach verkürzt sich durch die Gesetzesänderung nicht nur die Vorlagefrist. Durch die Verpflichtung, die Dokumentation in Zukunft ohne separate Anforderung in der Betriebsprüfung vorzulegen, verschiebt sich oftmals auch der Fristbeginn nach vorne.
Daneben wurde auch der Umfang der unaufgefordert vorzulegenden Unterlagen erweitert. Bisher sollte die Anforderung die Geschäftsbereiche und die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen bezeichnen, die Gegenstand der Außenprüfung sind und Art und Umfang der angeforderten Aufzeichnungen detailliert festlegen (§ 2 Abs. 6 GAufzV). Dadurch bezog sich das Vorlageverlangen nur auf die für die jeweilige Außenprüfung relevanten Teile der Dokumentation. Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 90 Abs. 4 i.V.m. § 90 Abs. 3 AO n.F.) ist zukünftig die gesamte Dokumentation (Local File, Master File und die Dokumentation über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle) vorzulegen. Faktisch führt die Neuregelung für den Steuerpflichtigen zu einer zeitnahen Dokumentationspflicht aller Verrechnungspreisaspekte. Diese Pflicht wird durch die im Folgenden dargestellte Verschärfung der entsprechenden Sanktionsregelungen unterstrichen.
Legt der Steuerpflichtige die Verrechnungspreisdokumentation nicht oder verspätet vor oder ist diese im Wesentlichen unverwertbar, können Zuschläge festgesetzt werden (§ 162 Abs. 4 AO). Der Verwertungszuschlag betrifft die Nichtvorlage oder Unverwertbarkeit und beträgt zwischen 5 % und 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte, mindestens € 5.000. Der Verspätungszuschlag betrifft die verspätete Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen und beträgt bis zu € 1 Mio., mindestens jedoch € 100 für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung.
Diese Regelungen sind unverändert. Bisher wurden die Zuschläge erst nach Abschluss der Außenprüfung festgesetzt. Neu ist, dass der Verspätungszuschlag für die verspätete Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen bereits während der Außenprüfung für volle Wochen oder Monate in Teilbeträgen festgesetzt werden kann. Dies soll den Steuerpflichtigen zu einer pünktlichen Erfüllung der Vorlagepflichten anhalten.
Die dargestellten Neuregelungen gelten für Steuern, die nach dem 31.12.2024 entstehen und für vorher entstandene Steuern, wenn für diese nach dem 31.12.2024 eine Außenprüfung angeordnet wird (Art 97 § 37 Abs. 2 und 3 EGAO).
Die dargestellten Änderungen führen zu einer erheblichen Verschärfung der Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise und zu zusätzlichen Sanktionen. Zur Lösung der Problematik sind Unternehmen auf eine Automatisierung ihrer Prozesse angewiesen. Neben den weiteren steuerlichen Themen, die zu dringendem Handlungsbedarf führen (Pillar 2, Public CbCR), sollte auch die Weiterentwicklung der Compliance Prozesse, die die Verrechnungspreise betreffen, priorisiert vorangetrieben werden.
Bild: Tom Fisk (Pexels, Pexels Lizenz)