Preisangaben und Mehrwertsteuersenkung

22.06.2020  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Kernstück des Konjunkturpakets der Bundesregierung von Anfang Juni ist eine zeitlich begrenzte Senkung der Mehrwertsteuer. Vom 01. Juli bis 31. Dezember 2020 soll sich der Steuersatz von 19 % auf 16 % beim Regel-Steuersatz bzw. von 7 % auf 5 % beim ermäßigten Steuersatz senken. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN erläutert die Tücken bei der Preisauszeichnung.

Umsatzsteuersenkungen kann der Unternehmer an den Verbraucher weitergeben. Er muss es aber nicht. Wenn Sie zu den Unternehmen gehören, die diese Preisreduzierungen weitergeben wollen, dann steht einiges an Arbeit bevor.

Gesamtpreisangabe erfordert Änderung Preisauszeichnung

Nach § 1 Abs. 1 Preisangabenverordnung sind gegenüber Verbrauchern grundsätzlich die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). Die Preisauszeichnungen müssten also alle geändert werden. Verstöße sind Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und können abgemahnt werden.

Während im Online-Shop die Änderung des Umsatzsteuersatzes theoretisch einfach auf Knopfdruck erfolgen kann, ist etwa im Einzelhandel ein erheblicher Aufwand erforderlich. Bei bereits gedruckten oder ausgebrachten Katalogen oder Katalogen, die über die genannten Senkungszeiträume hinausreichen, ist eine neue Preisauszeichnung in der Regel nicht möglich.

Wettbewerbszentrale baut auf Ausnahme

Die Wettbewerbszentrale, ein Verband mit der Befugnis, Preisangabenverstöße auch mit Abmahnungen und Vertragsstrafen zu belegen, sieht eine Ausnahmemöglichkeit in § 9 Abs. 2 Preisangabenverordnung. Der lautet zu Angabepflicht der Gesamtpreise:

§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 sind nicht anzuwenden auf individuelle Preisnachlässe sowie auf nach Kalendertagen zeitlich begrenzte und durch Werbung bekannt gemachte generelle Preisnachlässe.

Der Hintergrund dieser Ausnahmeregelung im deutschen Recht sei es, dass Unternehmen vor dem unzumutbaren Aufwand geschützt werden sollen, jedes Produkt einzeln neu auszuzeichnen. Dieser Auffassung ist auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das die Preisbehörden der Länder entsprechend informiert hat. Der Händler könne pauschale Rabatte ankündigen. Zudem sieht die Wettbewerbszentrale dann keinen Verstoß gegen das Recht des unlauteren Wettbewerbs, wenn der Kunde an der Kasse tatsächlich den günstigeren Preis zahlt.

Ausnahme europarechtswidrig?

Für die rechtliche Einordnung ist es wichtig nachzuvollziehen, dass europäische Vorschriften, etwa nach der sog. UGP-Richtlinie, die besondere Aspekte zu unlauteren Geschäftspraktiken regelt, Vorrang vor nationalen Regelungen haben. Nach dem Erwägungsgrund 10 Satz 3 der UGP-Richtlinie gehören dazu auch „Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind“(Erwägungsgrund10 S.3 UGP-Richtlinie).

Nach Art. 7 Abs. 4 Lit. c) UGP-Richtlinie sind der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben sowie ggf. alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten zu nennen. Nur in Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, ist die Angabe der Art der Preisberechnung als Information ausreichend. Gleiches gilt für Fracht,- Liefer- oder Zustellkosten. Eine Erleichterung, wie sie §°9 der Preisangabenverordnung kennt, ist nicht vorgesehen.

Damit könnten Abmahner sich auf den Standpunkt stellen, dass diese Ausnahme nicht berücksichtigt werden kann. Ob sich der reduzierte Preis nicht doch „unmittelbar aus den Umständen“ ergeben könnte, etwa wenn überall auf einen „Rabatt an der Kasse“ hingewiesen wird, bleibt unklar. Jedenfalls aber dürfte ein Verbraucher nicht ohne weiteres veranlasst werden, durch den angegebenen noch höheren Preis eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er sonst nicht getroffen hätte. Mit diesem Argument kann man versuchen, Unterlassungsverlangen und Vertragsstrafeforderungen entgegenzutreten.

Rabattankündigung möglich

Damit kann man wohl davon ausgehen, dass der Unternehmer die Höhe der Preise unverändert lassen kann und berechtigt ist, auf einen Rabattabzug „an der Kasse“ hinzuweisen. Natürlich müssen im Einzelhandel dennoch die Kassensysteme mit den Bons auf die veränderte Umsatzsteuer eingestellt werden.

Vertragsstraferisiko prüfen

Auch im Distanzhandel dürfte es möglich bleiben, die Endpreise unangetastet zu lassen und mit einem Rabattabzug zu werben. Riskant bleibt dies insbesondere dann, wenn Unterlassungserklärungen hierzu abgegeben wurden. Das sollte in jedem Fall geprüft werden, da erhebliche Vertragsstrafeforderungen drohen können.

Preisangaben und Umsatzsteuer

Prüfen Sie in jedem Fall, wie Sie die Preise angegeben haben. Nach § 1 Abs. 2 der Preisangabenverordnung ist im Fernabsatz anzugeben, dass die für Waren oder Leistungen geforderten Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten sind. Dies gilt jedenfalls aufgrund von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auch europarechtlich noch (nicht mehr bei printbasierten Bestellungen).

Üblich und ausreichend ist die Angabe „Preis 99,-- Euro (inkl. MwSt und zzgl. Versandkosten)“. Wer allerdings hier „Inkl. 19% MwSt.“ oder „inkl. 7% MwSt.“ angegeben hat, der muss diese eigentlich unnötige Ergänzung für den Zeitraum der Senkung der Umsatzsteuer ändern, denn falsche Angaben dürfen nicht gemacht werden. Für Kleinunternehmer entfällt die Angabe, aber es muss ein Hinweis dazu erfolgen, dass aufgrund des Kleinunternehmerstatus keine Umsatzsteuer erhoben und ausgewiesen wird.

Rechnungen und Zahlungen

Natürlich müssen Sie auch dafür sorgen, dass die Umsatzsteuer korrekt auf der Rechnung ausgewiesen wird. Wenn Sie in Ihrem Shopsystem auf einen Abzug bei der Rechnung setzen, können Ihnen die verfügbaren Zahlarten Probleme machen. So müssen Sie dafür sorgen, dass etwa PayPal den richtigen Betrag berechnet. Dazu müssen Sie den Preis spätestens im Checkout reduzieren. Hierzu lassen sich vielleicht Gutscheinfunktionen programmtechnisch „missbrauchen“.

Werbung

Ein besonderes Feld ist die Werbung. Sie müssen letztlich werben, wenn Sie sich auf § 9 Abs. 2 Preisangabenverordnung stützen wollen. Geben Sie dann auch Beginn und Ende der Preisreduktion an. Für Kataloge können Sie dazu eigene Anstoß-Mailings planen. Zudem sind Sie berechtigt, etwa im Internet andere Preise zu verlangen, als im Katalog. Machen Sie aber deutlich, worauf sich Ihre Rabattaktion bezieht. Denken Sie an die unterschiedlichen Umsatzsteuersätze! Geben Sie bei Preisgegenüberstellungen mit unverbindlichen Preisempfehlungen den korrigierten UVP an. Der ist brutto und senkt sich automatisch im Zeitraum der Umsatzsteuersenkung.

Sätze wie: „Wir senken die Mehrwertsteuer!“ oder Hervorhebungen „Mehrwertsteuer gesenkt!“ wären Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Sätze wie „Wir ziehen die Mehrwertsteuersenkung an der Kasse ab“ wären intransparent. Der Kunde muss schon klar erkennen, wieviel abgezogen wird.

Klar muss es auch dabei jedem sein, dass die Senkung um 3 bzw. 2 Prozentpunkte keine Preissenkung um 3% oder 2% darstellt. Sinkt der Produktpreis eines Produktes mit dem Endpreis von 119 Euro auf 116 Euro, dann entspricht das einer Preissenkung von 2,52% (gerundet) beim Regelsteuersatz und 1,87% (gerundet) bei dem reduzierten Umsatzsteuersatz. Eine Ankündigung, die dem Kunden suggeriert, man senke mit der Mehrwertsteuerreduzierung den Preis um 3 bzw. 2 Prozent wäre falsch und irreführend.

Problematisch kann auch der Bezugspreis für den Nachlass sein. So hatte eine große Elektronikmarktkette Anfang 2005 schon einem damit geworben „Heute zahlt Deutschland keine MwSt – Alle Produkte dadurch 16 Prozent billiger!“. Ein Wettbewerber erhob den Vorwurf, bei einigen Produkten sei nicht der versprochene Preisnachlass gewährt worden. Ausgangspreis für den Abzug seien höhere Preise gewesen als jene, zu denen die Ware in den Tagen vor der Aktion verkauft worden sei. Das OLG Karlsruhe folgte dem (Az. 6 U 227/05).

Preisbindung beachten

Natürlich sind Sie nicht gehindert, Ihre Preise dennoch mit einem Rabatt von 3% oder 2% zu bewerben. Sie verlieren dann eben mehr Marge, da die Mehrwertsteuersenkung dies nicht ganz hergibt. Denken Sie bei Rabattwerbungen daran, preisgebundene Produkte ausdrücklich zu benennen und vom Rabatt auszunehmen! Nicht nur Bücher und Arzneimittel können hiervon betroffen sein. Auch ein Pfand darf nicht rabattiert werden und z.B. bei Tabakprodukten bestehen Rabatteinschränkungen.

Preissenkung nur für Teilbereiche

Sie müssen die MwSt.-Senkung nicht an Ihre Kunden weitergeben. Sie können daher auch nur Teile Ihres Sortiments mit Rabatten belegen. Wichtig ist in jedem Fall, dass schon in Ihrem Werbemittel (auch in Anzeigen) absolut deutlich wird, welche Leistungen oder Waren hiervon erfasst werden. So ist z.B. die Werbung mit "19% MwSt. GESCHENKT" in einem Prospekt eines Möbelhauses vom BGH als wettbewerbswidrig eingestuft worden, weil Einschränkungen oder Bedingungen für die Inanspruchnahme von Preisnachlässen dort nicht gut sichtbar vorgehalten wurden (BGH, Urt. v. 27.07.2018, Az. I ZR 153/16).

Fazit:

Die Weitergabe der Vorteile der temporären Umsatzsteuersenkung ist gar nicht so einfach und für den Handel wohl fast eher Fluch statt Segen. Planen Sie schon jetzt Ihre Maßnahmen und lassen Sie diese im Zweifel rechtlich prüfen. Auch wenn Sie keine Preissenkungen planen, wird ein erheblicher Verwaltungsaufwand fällig, damit die Umsatzsteuer korrekt abgeführt werden kann. Dazu müssen Sie nämlich auf den Zeitpunkt der Ausführung der Leistung abstellen und nicht auf die Rechnungsstellung! Das bringt Freude bei Anzahlungen, Teilleistungen und auch bei Verträgen, die als Rechnung dienen. Zuletzt ergab sich 2006/2007 eine vergleichbare Situation bei Änderung der Umsatzsteuer.

Bild: Artem Beliaikin (Pexels, Pexels Lizenz)

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