Europa ist eine der weltweit führenden Regionen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt jedoch 27 Prozent niedriger als in den USA. Nur ein beschleunigtes Wachstum kann helfen, wettbewerbsfähiger zu werden und so diese Lücke zu schließen.
Dies ist umso wichtiger, da die Welt in ein neues geo-ökonomisches Zeitalter eingetreten ist. Dies betrifft insbesondere sieben Schlüsselbereiche: Innovation, Energie, Lieferketten, Kapital, Talent, Größe, Wettbewerb und Märkte. Bis 2030 stehen jährlich etwa 500 Milliarden bis 1 Billion Euro Wertschöpfung auf dem Spiel. Dies ist das Drei- bis Sechsfache der jährlichen Mehrinvestitionen, die notwendig sind, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Der neue Report des McKinsey Global Institute mit dem Titel „Accelerating Europe: Competitiveness for a new era“ liefert eine faktenbasierte Bewertung der nachlassenden europäischen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu China und den USA; und liefert Ideen für eine Agenda zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Die Ergebnisse stützen sich auf eine MGI-Analyse von 1000 europäischen Unternehmen.
Europäische Wachstumsagenda erforderlich
Für Europas politische Entscheidungsträger und Unternehmensführer ist es jetzt an der Zeit, zusammenzuarbeiten und eine mutige, integrierte Agenda aufzustellen, um Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Europa zu beschleunigen. — Solveigh Hieronimus, Senior Partner im Münchener Büro von McKinsey und Co-Autorin der Studie.
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Handlungsfelder sehen die Studienautoren für Europa in sieben Bereichen, die für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zentral sind:
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Innovation: Die technologische Disruption betrifft viele etablierte Sektoren, die dem globalen Wettbewerb stark ausgesetzt sind, wie die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt und den Pharma-Sektor. Wettbewerbsvorteile entstehen nun zunehmend durch die Anwendung von zehn Spitzentechnologien. Europa ist jedoch nur in zwei davon führend (Werkstoffe der nächsten Generation und saubere Technologien), während es in Bereichen wie Künstliche Intelligenz (KI) und Quantencomputer teils deutlich zurückliegt. So investierte Europa im Jahr 2023 1,7 Milliarden Dollar in generative KI, verglichen mit 23 Milliarden Dollar an US-Risikokapital und Private Equity, die in diese Technologien flossen. Ende 2023 gab es in den USA 35 große KI-Unternehmen, aber nur drei in Europa.
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Energie: Europas Energieimportabhängigkeit ist in den vergangenen Jahren deutlich sichtbar geworden – 55% der benötigten Energie werden importiert. China importiert nur 25%, während die USA netto sogar ein Exporteur von Energie sind.
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Kapital: Europäische Unternehmen erwirtschaften 20% weniger Return on Investment (ROI) als ihre US-Wettbewerber. Das war in Niedrigzinszeiten weniger ein Problem; im aktuellen Zinsumfeld, in dem zudem große Investitionen in den grünen Umbau fließen müssen, ist dies ein entscheidender Nachteil. Nach Europa sind in den ersten neun Monaten 2023 mit rund 90 Mrd. US-Dollar auch weniger Direktinvestitionen in neue Produktionsanlagen geflossen als in die USA mit 300 Mrd. US-Dollar.
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Lieferketten: Europa ist ein offener Kontinent – mit 30% weniger Handelshemmnissen als die USA und 20% weniger als China. Allerdings geraten Lieferketten angesichts geopolitischer Spannungen unter Druck. So steht Europa beispielsweise nur für 10% der globalen Halbleiterlieferkette; die USA für 35%.
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Talente: Der Fachkräftemangel in Europa verschärft sich. Die Zahl der offenen Stellen stand im September 2023 auf einem Allzeithoch von 3%. Die Automatisierung und der Umbau zu einer Netto-Null-Wirtschaft wird die Anforderungen für die Arbeitskräfte deutlich verändern – mehr als 11 Mio. neue Jobs werden in Europa entstehen, während 6 Mio. verschwinden werden. Europa hat auf die Bevölkerung gerechnet jedoch 20% weniger MINT-Absolventen als die USA und sogar 45% weniger als Südkorea.
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Größe: Europas Binnenmarkt ist ähnlich groß wie der amerikanische oder chinesische – doch die Fragmentierung stellt Unternehmen vor Herausforderungen, zu skalieren. Europa ist die Heimat von 13% der globalen Unicorns (Unternehmen mit mehr als 1 Mrd. US-Dollar Unternehmensbewertung), während jedes zweite Unicorn aus den USA kommt.
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Wettbewerb: Europa hat von seinem strikten Regelwerk im Sinne des Freihandels und mit geringer staatlicher Intervention lange profitiert. Allerdings unternehmen die USA und China eine deutlich aktivere Industriepolitik.
Europa bleibt ehrgeizig und einige der Grundlagen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wurden bereits geschaffen. Aber um aufzuholen, sollte Europa sich auf alle sieben Dimensionen konzentrieren. Innerhalb eines wirksamen politischen Rahmens können die Unternehmen dabei eine wichtige Rolle spielen. — Hieronimus
Ehrgeizige Ziele könnten sein:
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Verdoppelung der innovationsbezogenen privaten und öffentlichen Ausgaben, beispielsweise in Form eines europäischen Fonds, der Innovationen in entscheidenden Bereichen wie Energie, Gesundheitswesen, Industrie und Verteidigung bereits in der vorkommerziellen Phase finanziert.
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Verdopplung der durchschnittlichen Größe führender Unternehmen. Dies könnte beispielsweise durch Einführung eines "28th regime" mit gemeinsamen, vereinfachten Geschäftsregeln in Bereichen wie Arbeitsrecht, Steuern oder Wettbewerbsrecht gefördert werden, zu denen sich europäische Unternehmen optional verpflichten könnten.
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Halbierung der Energiepreise durch Erschließung neuer Energiequellen und Zugang zu diesen Ressourcen.
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Weltweite Führungsrolle bei der Einführung neuer Technologiendurch beschleunigte Umschulung und Rotation der Arbeitskräfte, einschließlich der Umsetzung von Flexicurity-Grundsätzen. Flexicurity schützt Arbeitnehmer, um diese Übergänge zu beschleunigen statt zu verzögern. Die Herausforderung ist dabei, sicherzustellen, dass die Sicherheit der Arbeitnehmer auch bei zunehmender Flexibilität erhalten bleibt.
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Verdopplung des Zustroms ausländischer Direktinvestitionen, insbesondere von weltweit führenden Technologieunternehmen, durch unternehmensfreundliche Regeln und eine gezielte Industriepolitik.
Hintergrund
Das McKinsey Global Institute (MGI) erstellt als Forschungseinrichtung von McKinsey & Company regelmäßig Studien zu ökonomischen Fragen und Trends. Gegründet wurde der Think Tank 1990 in Washington D.C.