05.05.2023 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Es ging einmal mehr um die Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne die Einwilligung des Betroffenen. Die Notwendigkeit einer Einwilligung ergibt sich nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern auch gegenüber Unternehmern. Dies gilt auch dann, wenn man mit dem Empfänger in einer aktiven Geschäftsbeziehung steht. Zwar gelten Ausnahmen für die Bewerbung gleichartiger Produkte. Diese stehen aber unter engen weiteren Voraussetzungen, die in den seltensten Fällen greifen.
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Im vorliegenden Fall gab der Beklagte auf eine Abmahnung der Klägerin über seinen Anwalt per E-Mail eine Unterlassungserklärung ab, die dem Verlangen der Klägerin inhaltlich entsprach. Zudem war an die E-Mail als PDF die Unterlassungserklärung als Scan unterzeichnet angehangen.
Die Klägerin war der Auffassung, dass diese Form nicht den Anforderungen genüge und das Unterlassungsbegehren damit nicht erledigt sei. Man habe den Vorgang zur Klageerhebung weitergeleitet. Der Beklagte teilte mit, er teile die Auffassung zur Form nicht, aber er habe das unterschriebene Original der Erklärung dennoch jetzt zur Post aufgegeben. Im anschließenden Gerichtsverfahren bestritt die Klägerin, diese Post vor der Klageerhebung erhalten zu haben.
Im Verfahren wurde dann nach Erhalt der Unterlassungserklärung im Original die Klage für erledigt erklärt. Dem gab das Amtsgericht statt. Die Berufungsinstanz (Landgericht Stuttgart, Urteil vom 30. März 2022, Az. 4 S 230/21) wies die Klage zurück.
Bei der Entscheidung über die Erledigung einer Klage wird vom Gericht geprüft, ob der mit der Klage gestellte Anspruch berechtigt war und sich erledigt hat. Das LG Stuttgart war der Meinung, dass zwar der Unterlassungsanspruch zur Zusendung von Werbung per E-Mail ohne Einwilligung ursprünglich gerechtfertigt war. Aber die Zusendung der Unterlassungserklärung per E-Mail habe ausgereicht, um die sogenannte Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Damit bestand aus Sicht der Richter zum Zeitpunkt der Klageerhebung kein Unterlassungsanspruch mehr.
Angesichts der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung, der der Gesetzgeber durch die Regelung der Textform gemäß § 126b BGB Rechnung getragen habe, könne heutzutage nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Wegfall der Wiederholungsgefahr voraussetze, die Erklärung in Schriftform, also per Post im Original, abzugeben. Im vorliegenden Fall ergebe sich zudem aus den Gesamtumständen, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten ernstgemeint gewesen sei.
Die Ersthaftigkeit einer Unterlassungserklärung ist eine zentrale Anforderung, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Früher wurde angenommen, dass dies nur bei Übermittlung mit Originalunterschrift der Fall sei, auch um nach Jahrzehnten einen Beweis führen zu können.
Der BGH (Urt. v.12.01.202 3, Az. I ZR 49/22) gab aber der Ansicht des LG Stuttgart in der Revision recht. Zunächst wiederholte er die bisherige Rechtsprechung zur Ernsthaftigkeit, wonach der Schuldner bereit sein muss, die Unterlassungserklärung in einer Form abzugeben, die im Streitfall ohne Beweisschwierigkeiten zur Anspruchsdurchsetzung verhilft. Der BGH dann zur Form bei Unterlassungserklärung durch einen Kaufmann:
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung keinem gesetzlichen Formzwang im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB unterliegt. Zwar ist die Vereinbarung, auf die die Unterlassungsverpflichtungserklärung abzielt, ein abstraktes Schuldanerkenntnis (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1995 - I ZR 176/93, BGHZ 130, 288 [juris Rn. 17] - Kurze Verjährungsfrist; Urteil vom 5. März 1998 - I ZR 202/95, GRUR 1998, 953 [juris Rn. 24] = WRP 1998, 743 - Altunterwerfung III), so dass sie grundsätzlich dem Schriftformerfordernis unterliegt (§ 780 Satz 1, § 781 Satz 1 BGB, ... ). Das Schriftformerfordernis besteht allerdings gemäß § 343 Abs. 1, § 350 HGB nicht, wenn die Unterlassungsverpflichtungserklärung - wie im Streitfall - von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegeben wird (...).
Sodann stimmt der BGH in seinem Urteil unter Bezugnahme auf Ausführungen im Berufungsurteil zu, dass die technische Entwicklung und die Usancen des Rechtsverkehrs heute die Textform nach § 126b BGB durchgesetzt haben, die auch durch eine E-Mail eingehalten wird. Die Richter sahen auch keine sonstigen Umstände, die auf eine mangelnde Ersthaftigkeit hindeuteten. Der Kaufmann hatte sich auch letztlich nicht geweigert, die Erklärung im Original hinterherzusenden. Durch diese Antwort bestand keine Untersicherheit, als der Abmahner auf das fehlende Original verwies.
Das sah gut aus für den Kaufmann. Aber dann kam es doch anders. Der BGH hatte bereits kurz zuvor noch zu einem anderen Punkt seine Rechtsprechung geändert. Früher reichte es aus, wenn dem Gegner eine ausreichende Unterlassungserklärung zuging.
Im Fall einer Ablehnung fehlte es an einem Klagegrund, wenn die Unterlassungserklärung ernsthaft in der Welt war. Nach einem aktuellen Urteil des BGH ist das aber nicht mehr der Fall, wenn der Gläubiger die Unterlassungserklärung ablehnt, da dann die Abschreckungswirkung fehlt.
Diese Rechtsprechung hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils aufgegeben. Der Senat geht nunmehr davon aus, dass es dann, wenn der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ablehnt, ab dem Zugang der Ablehnung an einer verhaltenssteuernden Vertragsstrafenandrohung fehlt, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abhalten soll, weil er nicht mehr damit rechnen muss, dass der Gläubiger durch die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafeverpflichtung begründet hat. Die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr kann mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aber nur solange widerlegt werden, wie die erforderliche Abschreckungswirkung durch eine - nach Ablehnung durch den Gläubiger nicht mehr bestehende - effektive Sanktionsdrohung gesichert ist (vgl. BGH, GRUR 2023, 255 [juris Rn. 40 f.] - Wegfall der Wiederholungsgefahr III).
Da der beklagte Kaufmann die Unterlassungserklärung geringfügig geändert hatte, indem er die verlangte Form nicht beachtete, bedurfte es einer neuen Annahmeerklärung, die hier nicht vorlag. Er hätte nach der Ablehnung der Unterlassungserklärung und Klageerhebung gleich anerkennen können. Dann wären die Kosten im Ergebnis dem Abmahner zur Last gefallen. Eine spätere Möglichkeit zu einem sofortigen Anerkenntnis wegen der Änderung der Rechtsprechung existiert nicht.
Im Ergebnis kann man festhalten, dass künftig die Abgabe der Unterlassungserklärung per E-Mail ausreicht. Dabei sollte der Text in der E-Mail selbst stehen. Die Erklärung kann dann auch noch einmal in einem PDF-Anhang enthalten sein. Lehnt der Gläubiger dies ab und klagt, dann riskiert er ein sofortiges Anerkenntnis und damit die Kosten der Klage. Dem Beklagten hilft das im konkreten Fall nicht, da diese Erkenntnisse aus einer Rechtsprechungsänderung stammen, die während seines Prozesses stattfand.
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