20.04.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: WandelWerker Consulting GmbH.
Ein kleiner Schnitt, eine leichte Beule: Zu wenig Arbeitnehmer melden Unfälle auf der Arbeit bei ihrem Vorgesetzten – obwohl das selbstverständlich sein sollte. Denn einerseits sind Mitarbeiter über die Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen versichert und zum anderen kann das Unternehmen die Ursachen sonst nicht identifizieren und beheben, was zu weiteren Unfällen führen kann – bis es dann mal richtig wehtut.
Tipps aus der Praxis für die Praxis
"Meine Erfahrung sagt mir, dass es zwei Gründe für das Nichtmelden von Arbeitsunfällen gibt. Zum einen denken die Mitarbeiter noch zu oft, dass es peinlich ist oder nicht relevant ist, Kleinigkeiten zu melden. Es herrscht noch zu oft der Glaubenssatz vor, ein Indianer kennt keinen Schmerz. Zum anderen gibt es aber auch Unternehmen, die sehr schnell zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen greifen, gerade hier ist der Grund dafür einfach Angst oder Sorge um den Arbeitsplatz", sagt Sicherheitsingenieur Stefan Ganzke.
"Umso wichtiger ist es, dass der Arbeitgeber zusammen mit den Sicherheitsingenieuren und Fachkräften für Arbeitssicherheit daran arbeitet, einerseits die Einstellung zu Unfällen zu verändern und andererseits auch eine offene Fehlerkultur zu schaffen, in der niemand Angst haben muss, einen Fehler zu melden." Gerne verrät Stefan Ganzke in diesem Artikel, warum Mitarbeiter Unfälle nicht melden und was Unternehmen dagegen tun können.
Grundsätzlich werden in den offiziellen Statistiken der einzelnen Berufsgenossenschaften nur Arbeitsunfälle aufgeführt, bei denen ein Mitarbeiter nach einem Unfall für mindestens drei Tage ausgefallen ist. Hierbei handelt es sich allerdings nur um einen Bruchteil der Arbeitsunfälle, die wirklich im Unternehmen passieren. Gerade bei Bagatellunfällen wird oftmals durch die Mitarbeiter gar keine Meldung an den Arbeitgeber abgegeben – so zum Beispiel, weil die Mitarbeiter den falschen Glaubenssatz haben, nur die "Zähne zusammenbeißen" zu müssen. Unfälle seien eben etwas, das hin und wieder passiert.
Hinzu kommt, dass die Meldeketten und Analyseprozesse für Führungskräfte und Mitarbeiter in vielen Unternehmen sehr aufwändig sind. Entsprechend wird im Ernstfall auf eine Meldung verzichtet, um Zeit zu sparen. Kritisch ist auch die Herangehensweise vieler Unternehmen, unsicheres Verhalten zu sanktionieren, indem betroffenen Mitarbeitern als erstes Mittel der Wahl mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht wird. Auf keinen Fall sollten Unternehmen im Rahmen von Null-Unfall-Strategien mit Prämien arbeiten, denn kommt es dann zu einem Unfall, wird sich wohl kaum ein Mitarbeiter dazu durchringen können, bei Bagatellunfällen diesen Vorfall tatsächlich zu melden – schließlich würde das einen Verlust der Prämie bedeuten. Null-Unfall-Strategien setzen Mitarbeiter folglich eher unter Druck, als sie zu sicheren Verhaltensweisen zu motivieren.
Diesen Kreislauf zu durchbrechen dauert erfahrungsgemäß mehrere Jahre. Deshalb sind Unternehmen gut beraten, anstelle von einzelnen punktuellen Maßnahmen lieber eine mittelfristige Strategie mit systematisch aufeinander abgestimmten Maßnahmen zu setzen. Dieser Wechsel der Einstellung gelingt nicht durch Online-Unterweisungen oder einmalige Jahresunterweisungen. Es braucht Arbeitsschutz als Teil der Regelkommunikation im Unternehmen.
Je mehr zielgruppengerecht über Sicherheit gesprochen wird, desto schneller und nachhaltiger findet ein Umdenken statt. Hilfreich sind hierbei beispielsweise nicht nur die Sicherheitskurzgespräche, sondern auch Workshops mit den Mitarbeitern und Führungskräften, in denen der Sinn und die persönlichen Vorteile durch die Teilnehmer selbst erarbeitet werden. Einfache Prozesse helfen auch dabei, wie zum Beispiel eine spezielle App oder eine einfach zu bedienende Software. Sinnvolle Ziele, eine offene Fehlerkultur und regelmäßige Sicherheitsgespräche helfen zusätzlich dabei, die Meldemoral von Führungskräften und Mitarbeitern zu verbessern.
Bild: Karolina Grabowska (Pexels, Pexels Lizenz)
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