27.08.2013 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH. Die GmbH schloss am 17.8.1998 einen Lizenzvertrag mit einer GbR ab. Nach diesem Vertrag räumte die GbR als „Inhaber eines deutschen Patents sowie eines deutschen Gebrauchsmusters” der GmbH eine ausschließliche Lizenz für die Herstellung und den Vertrieb bestimmter Vorrichtungen ein. Nach § 10 Abs. 1 des Vertrages hatte die GmbH Lizenzgebühren „in Abhängigkeit von der kumulierten Anzahl der verkauften Vertragsgegenstände” zu entrichten. Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages verpflichtete sich die GmbH für die Kalenderjahre nach 1999 „Mindestlizenzgebühren” für die im Einzelnen jeweils bezifferte Anzahl von Lizenzgegenständen zu entrichten.
Mit Rechnung vom 22.12.2000 stellte die GbR der GmbH für das Jahr 2000 Mindestlizenzgebühren in Höhe von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von ... DM in Rechnung. Am 12.2.2001 reichte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH eine Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 ein, in der die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigt wurde. Der Vorsteuerüberhang wurde von dem für die GmbH zuständigen FA am 20.2.2001 ausgezahlt. Bereits am 3.2.2001 hatte ein Patentanwalt gutachterlich festgestellt, dass das von der GmbH in Lizenz erworbene Patent der GbR zu Unrecht bestand. Die GmbH kündigte daher am 2.3.2001 den Lizenzvertrag fristlos. Die Rechnung vom 22.12.2000 blieb unbezahlt. Mit der am 10.2.2003 beim zuständigen FA eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 wurde der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der GbR berichtigt. Der sich hieraus ergebende Rückforderungsanspruch des FA wurde nicht beglichen. Am 17.9.2004 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Urteil des zuständigen Amtsgerichts (AG) M vom 26.10.2004 wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach dem Urteil des AG M ergab sich die Steuerhinterziehung aus der Auszahlung der Vorsteuer zu einem Zeitpunkt, zu dem die dem Vorsteuerabzug zugrunde liegende Forderung bereits bestritten wurde. Das FA nahm den Kläger mit Haftungsbescheid vom 2.11.2006 für rückständige Umsatzsteuer 2000 in Haftung. In Bezug auf Zinsen und Säumniszuschläge wurde der Haftungsbescheid mit Bescheid vom 19.11.2007 zurückgenommen. Aufgrund eines strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahrens hob das AG E das Urteil des AG M auf und verurteilte den Kläger wegen Steuerhinterziehung auf Zeit nur noch zu einer Geldstrafe.
Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid hatten keinen Erfolg. Nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 7.7.2011 (veröffentlicht in EFG 2012, 1901) waren die Haftungsvoraussetzungen gegeben.
Die Revision des Klägers ist begründet (BFH v. 18.04.2013 - V R 19/12). Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und des Haftungsbescheids. Entgegen dem Urteil des FG liegen die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 71 AO bereits mangels objektiver Steuerverkürzung nicht vor, da die GmbH zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs im Jahr 2000 berechtigt war. Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO. Der Begriff der Steuerhinterziehung in § 71 AO entspricht dem in § 370 AO. Nach § 370 Abs. 1 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer 1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, 2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder 3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Nach § 370 Abs. 1 Satz 1 AO werden Steuern verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.
Im Streitfall war die GmbH im Dezember 2000 materiell-rechtlich zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 nicht zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Nach der für den Haftungszeitraum geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG war der Unternehmer berechtigt, als Vorsteuerbetrag „die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind” abzuziehen. Zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG berechtigen neben Leistungen auch Teilleistungen. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Nach der Rechtsprechung des BFH sind derartige Teilleistungen z.B. bei Mietverträgen über eine bestimmte (Mindest-)Laufzeit gegeben, wenn sie in monatliche Zahlungs- und Leistungsabschnitte untergliedert sind und durch die monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert werden.
Im Streitfall führte die Vereinbarung der für einzelne Kalenderjahre geschuldeten Mindestlizenzgebühr zu Teilleistungen. Ebenso wie bei einem Mietvertrag sah der Lizenzvertrag eine bestimmte Gesamtlaufzeit vor, wobei für einzelne Zeiträume der vertraglichen Gesamtlaufzeit ein jeweils eigenständiges Entgelt zu entrichten war. Bei diesen Einzelzeiträumen wie z.B. dem Kalenderjahr 2000 handelte es sich um Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung, für die gesonderte Entgeltvereinbarungen vorlagen. Daher kommt es für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs entgegen dem FG-Urteil nur auf die Erbringung der Teilleistung und die Erteilung der Rechnung, nicht aber auch auf die Bezahlung der Rechnung an, so dass im Hinblick auf den für Dezember 2000 vorgenommenen Vorsteuerabzug auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO bestehen konnte.
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