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Vorsicht beim Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

31.08.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. August 2011 (8 AZR 312/10)

Einleitung

Der Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft („BQG“) ist ein verbreitetes Restrukturierungsinstrument. Mit ihr kann ein Unternehmen durch zügigen Personalabbau für potentielle Erwerber attraktiv gemacht werden. Für die betroffenen Arbeitnehmer hat die BQG den Vorteil, dass sie durch Weiterbildungsmaßnahmen schneller in den Arbeitsmarkt gelangen können und für eine gewisse Zeit eine Perspektive in der BQG haben. Zum Zwecke der Überführung in die BQG wird regelmäßig ein dreiseitiger Vertrag zwischen Alt-Arbeitgeber, BQG und Arbeitnehmer geschlossen. Dieser hebt das Arbeitsverhältnis zwischen Alt-Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf und begründet ein neues Vertragsverhältnis mit der BQG.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts („BAG“) ist eine solche Vertragskonstruktion nur wirksam, wenn sie auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Nichtig wäre also eine Vereinbarung, welche einen an und für sich vorliegenden Betriebsübergang verschleiern oder die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses künstlich unterbrechen möchte. Die Grundsatzentscheidung „Dörries-Scharmann“ prüfte dies anhand des Kriteriums des Risikogeschäfts (vgl. BAG, Urteil vom 10. Dezember 1998, 8 AZR 324/98, NZA 1999, 422). Dieses liegt vor, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der BQG im Unklaren ist, ob er vom potentiellen Erwerber tatsächlich übernommen wird. Zu prüfen ist zweitens, ob die BQG lediglich zum Schein errichtet wurde und ob drittens der Einsatz der BQG zu einer Umgehung der Sozialauswahl führt (vgl. BAG, Urteil vom 18. August 2005, 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145). Nunmehr hat das BAG zu dieser Thematik erneut entschieden (BAG, Urteil vom 18. August 2011, 8 AZR 312/10).

Sachverhalt

Der Kläger unterzeichnete nach der Insolvenz seines Alt-Arbeitgebers im März 2006 sechs Vertragsformulare. Darin bot der Kläger die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses und den anschließenden Eintritt bei einer BQG zu sechs verschiedenen Terminen des Jahres 2006 an. Die BQG sollte dann einen dieser sechs Termine auswählen und das entsprechende Vertragsangebot des Klägers annehmen. Anfang Mai 2006 unterzeichnete der Kläger zwei Angebote zum Abschluss eines Arbeitsvertrages, diesmal mit dem neuen Betriebserwerber. Dieser hatte vor, rund 350 von 450 Arbeitnehmern zu übernehmen und den insolventen Betrieb fortzuführen. Ende Mai 2006 zeichnete die BQG dasjenige Exemplar gegen, nach welchem der Kläger zum 31. Mai 2006 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und in die BQG zum 1. Juni 2006 eintreten sollte. Am 2. Juni 2006 wählte der neue Betriebserwerber den Kläger per Losverfahren aus und zeichnete dessen „neuen“ Arbeitsvertrag entgegen. Die Produktion wurde einen Tag später aufgenommen und der Betrieb fortgeführt. Nachträglich wurde der Vertrag mit der BQG aufgehoben.

Der neue Betriebserwerber kündigte dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt. Im Kündigungsprozess berief sich der Kläger auf längere Kündigungsfristen: Der Betrieb sei auf den neuen Erwerber übergegangen, so dass die Kontinuität der Beschäftigung nicht durch den kurzen Zwischenstopp bei der BQG unterbrochen worden sei.

Die Entscheidung

In allen drei Instanzen bekam der Kläger Recht. Nach dem BAG ist der Vertrag mit der BQG, der eine eintägige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vorsah, unwirksam. Er diene nur dazu, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen und einen Betriebsübergang zu umgehen. Der Kläger sollte nicht dauerhaft aus dem Betrieb ausscheiden. Ihm sei vielmehr ein Arbeitsverhältnis mit dem neuen Betriebserwerber verbindlich in Aussicht gestellt worden. Das spätere Losverfahren ändere daran nichts.

Praxisfolgen

Das BAG äußert keine grundsätzlichen Bedenken gegen das BQG-Modell. Nach wie vor kann mittels einer BQG Personal abgebaut und das Unternehmen für potentielle Erwerber attraktiv gemacht werden. Bei der dreiseitigen Vereinbarung zwischen Alt-Arbeitgeber, BQG und Arbeitnehmer ist jedoch Vorsicht geboten: Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer bei deren Abschluss davon ausgehen musste, endgültig aus dem Unternehmen auszuscheiden. Es darf allenfalls eine „vage Hoffnung“ bestehen, mit einem zukünftigen Erwerber einen neuen Arbeitsvertrag abschließen zu können. Das BAG lässt zweitens auch erkennen, dass die tatsächliche Verweildauer in der BQG nicht zu kurz bemessen sein darf. Damit schließt es sich der neueren instanzlichen Judikatur an (vgl. LAG Köln Urteil vom 28. Oktober 2010, 13 Sa 701/10, juris). Dem BAG dürfte es aber genügen, wenn die BQG ihre Tätigkeit aufnimmt und Beschäftigungs- und Qualifizierungsarbeit für einen nennenswerten Anteil von Arbeitnehmern leistet. Schließlich ist bei zufallsabhängigen Auswahlverfahren zu Recht Skepsis angebracht. Solche Verfahren umgehen die Sozialauswahl und sind mit den Grundsätzen des deutschen Kündigungsrechts unvereinbar.

Quelle: Dr. Michael Johannes Pils (Taylor Wessing Düsseldorf)
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