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Viele Kanzlei- bzw. Praxisbewertungen sind falsch

03.08.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Armin Heßler, Wirtschaftsprüfer Steuerberater.

Pauschale Methoden führen zu unbefriedigenden Ergebnissen

Für die Bewertung von Freiberuflerpraxen gibt es häufige Anlässe: Käufe und Verkäufe, Aufnahme von jungen Partnern, Zugewinnausgleich bei Scheidung oder Vermögensauseinandersetzung nach einer Erbschaft. Jedes Jahr sind mehrere tausend Wertermittlungen durchzuführen - viele enden mit einem falschen Ergebnis.

Ursache für die Fehler sind eine starre Anwendung sogenannter marktübliche Verfahren, die Missachtung des Bewertungszwecks sowie eine unzureichende Berücksichtigung von bestimmten persönlichen und sachlichen Faktoren. In vielen Fällen wird auf externe Beratung verzichtet. Die Beteiligten halten sich meist für ausreichend kompetent, selbst eine Bewertung durchzuführen.

Umsatzverfahren: beliebt aber auch gut?

Die meisten Wertermittlungen beschränken sich auf die Feststellung des erzielten Umsatzes eines Jahres und des anzuwendenden Multiplikators, der im Mittel in etwa 100% beträgt. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen wird um den richtigen Umsatz gestritten, weil letztlich nur der nachhaltig erzielbare Umsatz werthaltig ist. Bestimmte Besonderheiten wie die Qualität des Mandantenstammes, Abweichungen vom Normgewinn werden mit Zu- oder Abschlägen vom Multiplikator belegt. Die meisten Kanzleien werden mit Umsatzmultiplikatoren zwischen 80% und 120% veräußert. Werden die Zu- und Abschläge nicht nur "über den Daumen gepeilt" sondern methodisch korrekt ermittelt, spricht nichts gegen diese Form der Bewertung. In der Praxis besteht jedoch häufig eine Hilflosigkeit, geht es um die Frage, welche Faktoren in welcher Höhe in die Berechnung einzubeziehen sind.

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Typische Fehler bei der Bewertung

Anhand von drei Beispielen soll die Problematik aufgezeigt werden. In allen Fällen soll der Umsatz 500 TEUR betragen:

Der 65-jährige Steuerberater A möchte seine Kanzlei veräußern. Die Gewinnsituation ist überdurchschnittlich gut. Der Mandantenstamm ist solide. Die Arbeitsabläufe sind konventionell, aber erfüllen ihren Zweck.

Der 40-jährige Wirtschaftsprüfer B betreibt seit 5 Jahren eine Kanzlei. Er erzielt einen deutlich unterdurchschnittlichen Gewinn. Die Umsätze wachsen jedoch kontinuierlich. Die Kanzlei ist technisch auf der Höhe der Zeit. Wegen einer Scheidung ist der Zugewinn zu ermitteln. Steuerberater C erwartet für seine Kanzlei 100% des nachhaltig zu erzielenden Umsatzes. Er hält diesen Satz mit Verweis auf den seit Jahren konstanten Umsatz sowie einer jährlichen Rendite von 20% für gerechtfertigt.

Viele Bewertende würden sich bei auf etwa 120%, im Fall B eher auf 80% sowie bei C auf 100% festlegen - und damit falsch liegen.

A wird die guten Ergebnisse aufgrund seiner Routine erzielen. Aufwändige Qualitätssicherungsmaßnahmen sind nicht notwendig, weil er seine Mandanten und seine Kanzlei in und auswendig kennt. Mandanten und Mitarbeiter sind mit dem Steuerberater alt geworden. Gewohnheiten in der Zusammenarbeit sind kaum zu verändern. Ein Nachfolger müsste erheblichen Aufwand in die Modernisierung stecken.

B steckt noch in der Anfangsphase. Die Kosten für den Aufbau der Kanzlei und für die Akquise belasten das Ergebnis. Wachstumsdynamik und nachlassender Aufwand lassen in Zukunft ein attraktives Einkommen erwarten.

Die Kanzlei von C mit einem Gewinn von 100 TEUR mag für den Inhaber wirtschaftlich interessant sein. Erwirbt jedoch ein vorher angestellter Steuerberater im einem bisherigen Jahreseinkommen von 90 TEUR diese Kanzlei sieht die Sache anders aus. Er kommt gerade mal auf 10 TEUR - Gewinn. Der Rest ist Vergütung für seine Arbeitskraft. Zudem scheint die Kanzlei keine Wachstumsperspektive zu haben.

Schmilzt der Kanzleiwert bei Scheidung?

Der Wert einer Kanzlei wird bei einem Kauf aus Sicht des Käufers bestimmt. Geht es dem Käufer nicht nur um den Mandantenstamm, sondern verfolgt strategische Interessen oder kann Synergieeffekte realisieren, ist er häufig bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Dies gilt umso mehr, wenn er sich in einer Wettbewerbssituation mit anderen Kaufinteressenten findet.

Bei Vermögensauseinandersetzungen muss dagegen alleine auf die Möglichkeiten der Praxis abgestellt werden, welches Einkommen in Zukunft zu erzielen ist.

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