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Urlaubsabgeltungsansprüche und Ausschlussfristen

24.08.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. August 2011 zur Anwendbarkeit von Ausschlussfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüche

Einleitung

Arbeitnehmer, die über mehrere Jahre arbeitsunfähig erkrankt sind, behalten nach der neueren Rechtsprechung des BAG in Folge der Grundsatzentscheidung Schultz-Hoff des EuGH vom 20.01.2009 (Az.: C-350/06) ihren Urlaubsanspruch und ihren Urlaubsabgeltungsanspruch für die Zeit der Erkrankung, wenn sie den Urlaub wegen der Erkrankung nicht nehmen konnten (BAG, Urteil vom 24.03.2009 – Az.: 9 AZR 983/07). Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist der Zahlungsanspruch aus § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), der entsteht, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden konnte. Wenn das Arbeitsverhältnis schließlich beendet wird, kommen auf den Arbeitgeber aufgrund der Abgeltung dieser angesammelten Urlaubsansprüche oft hohe Zahlungsforderungen zu.

Fraglich ist, ob arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen diesen Urlaubsabgeltungsanspruch zum Erlöschen bringen, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch nicht frist- und formgerecht geltend macht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG waren tarifliche Ausschlussfristen auf den gesetzlichen und tariflichen Urlaub wegen des eigenständigen Zeitregimes, der er unterliegt, nicht anzuwenden. Noch im März diesen Jahres hatte das BAG es offen gelassen, ob daran trotz der veränderten Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen insbesondere für Urlaubsabgeltungsansprüche festzuhalten sei (BAG, Urteil vom 23.03.2011 – Az.: 10 AZR 661/09).

Nun hat das BAG seine Rechtsprechung geändert und festgestellt, dass arbeits- und tarifvertragliche Ausschlussfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüche anwendbar sind.

Sachverhalt

Eine Krankenschwester war von Oktober 2006 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Ende März 2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Erst im Februar 2009, also etwas mehr als 10 Monate nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, verlangte sie von ihrem früheren Arbeitgeber die Abgeltung des ihr noch zustehenden Urlaubs aus den Jahren 2007 und 2008.

Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anwendbar. Nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten schriftlich geltend gemacht werden.

Nachdem das Arbeitsgericht Köln der Klage hinsichtlich der Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs stattgegeben hatte, hat das Landesarbeitsgericht Köln die Klage insgesamt abgewiesen, da die Arbeitnehmerin die tarifvertragliche Ausschlussfrist von sechs Monaten nicht eingehalten hatte (LAG Köln, Urteil vom 20.04.2010 – Az.: 12 Sa 1448/09).

Entscheidung

Das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln bestätigt. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L erloschen. Der Anspruch auf Abgeltung des bestehenden Urlaubs entstehe auch bei über das Arbeitsverhältnis hinaus andauernder Arbeitsunfähigkeit gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und werde sofort fällig. Es handele sich nicht um ein Surrogat für den Urlaub, sondern um eine reine Geldforderung, die – ebenso wie andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliege. Dies gelte auch für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs und nicht nur für über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehende tarif- oder einzelvertraglich zugesagte Urlaubsansprüche.

Diese neue Argumentation des BAG widerspricht zwar zum Teil den Ausführungen der EuGH-Generalanwältin in der Rechtssache C-214/10 - Winfried Schulte. Die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen vom 7. Juli 2011 ausgeführt, dass der Abgeltungsanspruch kein allgemeiner Abfindungsanspruch oder Geldanspruch sei, sondern ein Surrogat für Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden könne. Er diene dem Zweck, den Arbeitnehmer finanziell in eine Lage zu versetzen, die es ihm erlaube, seinen Jahresurlaub nachzuholen, und zwar unter vergleichbaren Bedingungen, als wenn er weiter tätig gewesen wäre.

Es steht jedoch nicht zu befürchten, dass das BAG seine Rechtsprechung zur Anwendung der Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch in Kürze revidieren wird. Unabhängig davon, ob die Urlaubsabgeltung als Surrogat für den Urlaubsanspruch einzuordnen ist oder nicht, kann das bisherige Argument gegen die Anwendung von Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch, für diesen Anspruch gebe es ein eigenständiges Zeitregime, nicht mehr herangezogen werden. Bei der Urlaubsabgeltung handelt es sich nach der grundlegenden Änderung der Rechtsprechung im Urlaubsrecht um einen Zahlungsanspruch, für dessen Geltendmachung es in zeitlicher Hinsicht keine speziellere gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung, also kein eigenständiges Zeitregime mehr gibt.

Praxishinweis

Der Urlaubsabgeltungsanspruch von Arbeitnehmern, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig sind und den Erholungsurlaub nicht in Natur nehmen konnten, wird nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig und unterliegt einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Wenn die Arbeitnehmer die Urlaubsabgeltung nicht innerhalb der jeweils geltenden Ausschlussfristen und in der jeweils maßgeblichen Form verlangen, erlischt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Quelle: Petra Timmermann (Taylor Wessing Hamburg)
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