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Teilbetriebsübergang oder Funktionsnachfolge

07.06.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Gestaltungsoptionen in der Grauzone?

Immer wieder sind das Bundesarbeitsgericht und die Instanzgerichte mit Auseinandersetzungen rund um den Betriebsübergang befasst. Vergleichsweise sparsam ausgestalteten gesetzlichen Grundlagen steht eine Fülle von Einzelfallentscheidungen gegenüber, in denen nicht selten europarechtliche Bezüge eine Rolle spielen. Die ausufernde Kasuistik in verschiedenen Teilbereichen kann für Arbeitgeber zu einer erheblichen Rechts- und Planungsunsicherheit führen. Die strengen Anforderungen der Gerichte an eine wirksame Mitarbeiterinformation und die hiermit einhergehende Relativierung der zeitlichen Beschränkung des gesetzlichen Widerspruchsrechts mögen als Beispiel hierfür dienen. Wichtige gestalterische Fragen im Vorfeld rechtgeschäftlicher Übertragungsvorgänge drohen im Gegensatz hierzu in den Hintergrund zu geraten. Vor allem dann, wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern lediglich Teile eines Betriebes übertragen werden sollen, gilt es, trotz der meist engen zeitlichen Vorgaben etwaige Spielräume zu prüfen und zu nutzen.

Einleitung

Auch bei der Übertragung von Betriebsteilen ist § 613 a BGB zu beachten. Zu einem Übergang betroffener Arbeitsverhältnisse vom bisherigen Inhaber auf den Erwerber kommt es im Rahmen der Vorschrift jedoch nur dann, wenn Gegenstand der Betriebsteilübertragung eine abtrennbare wirtschaftliche Einheit ist, deren Identität auch im Anschluss an den Erwerbsvorgang erkennbar bleibt. Die Rechtsprechung versteht den Begriff der wirtschaftlichen Einheit als „organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung“. Bei der gerichtlichen Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, werden sämtliche den Vorgang kennzeichnende Tatsachen gewürdigt; hierzu gehören Aspekte wie die Übertragung materieller Betriebsmittel, der Wert immaterieller Aktiva zum Übertragungszeitpunkt, die Übernahme von Personal und Kunden sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang der Einheit anfallenden Abläufen und Tätigkeiten. Den für das Vorliegen eines Betriebsteilübergangs maßgeblichen Kriterien wird - je nach der ausgeübten Tätigkeit und den vorhandenen Produktions- und Betriebsmethoden - im Rahmen einer Gesamtabwägung unterschiedliches Gewicht beigemessen. Ergibt die Abwägung, dass sich der Gegenstand des Rechtsgeschäfts in einer schlichten Funktionsnachfolge erschöpft, liegt kein Betriebsteilübergang vor.

Der Sachverhalt

Ein kürzlich vom Bundesarbeitsgericht zu beurteilender Sachverhalt (Urteil v. 07. April 2011 - 8 AZR 730/09) verleiht den abstrakten Kriterien und Definitionen Leben. Der Kläger des Verfahrens war bei einer Wasserwerke-GmbH beschäftigt, die von zwei kommunalen Zweckverbänden gegründet und betrieben wurde. Der Geschäftsgegenstand der Gesellschaft bestand einerseits in der Versorgung von Abnehmern mit Trinkwasser, andererseits in der Beseitigung von Abwasser. Die Verwaltungsvorgänge beider technischer Bereiche wurden von einer kaufmännischen Abteilung bearbeitet, welcher auch der Kläger angehörte. Auf Veranlassung der Kommunalaufsicht entschieden die Gesellschafter der GmbH, die Aufgaben der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung ab dem 01. Januar 2007 in eigener Regie durchzuführen. Soweit die hierfür erforderlichen Betriebsmittel im Eigentum der GmbH standen, wurden diese durch Rechtsgeschäft an die Zweckverbände übertragen. Fast alle Arbeitnehmer des technischen Bereichs setzten ihre Tätigkeit sodann bei einem der beiden Zweckverbände fort. Dagegen wurden nur einige Arbeitnehmer aus dem kaufmännischen Bereich übernommen; die GmbH wurde liquidiert. Der Kläger gehörte nicht zu den übernommenen kaufmännischen Mitarbeitern. Er machte geltend, sein Arbeitsverhältnis sei im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf denjenigen Zweckverband übertragen worden, der den technischen Bereich der Abwasserversorgung weiterführte. Seine Rechtsauffassung begründete der Kläger damit, im kaufmännischen Bereich zu 80% Vorgänge aus der Abwasserbeseitigung bearbeitet zu haben. Die öffentlich-rechtlich festgelegte Aufgabe der Abwasserentsorgung, so der Kläger, sei als wirtschaftliche Existenzgrundlage der GmbH nach ihrer Übertragung auf den Zweckverband identisch geblieben, weshalb auch er dort weiterzubeschäftigen sei.

Die Entscheidung

Wie bereits in den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Dem Vortrag des Klägers, so der Achte Senat, sei nicht zu entnehmen gewesen, dass er in einem abgrenzbaren Betriebsteil beschäftigt gewesen sei. Unstreitig habe er auch kaufmännische Sachverhalte für die Trinkwasserversorgung bearbeitet; er sei damit in allen Bereichen tätig gewesen, die den Geschäftsgegenstand der GmbH bildeten. Einen abtrennbaren kaufmännischen Bereich „Abwasser“ habe es nicht gegeben und damit auch keine wirtschaftliche Einheit, die Gegenstand einer Übertragung habe gewesen sein können. Die Übernahme des Geschäftsgegenstandes „Abwasser“ sei damit als reine Funktionsnachfolge zu qualifizieren, die nicht zu Gunsten des Klägers als Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613 a anzusehen sei.

Praxishinweis

Steht einer rechtsgeschäftlichen Übertragung im Wege eines Share Deals bereits die Tatsache entgegen, dass nur ein Teil eines Betriebes vom Inhaberwechsel erfasst werden soll, besteht die Möglichkeit, im Wege einer weitsichtigen strategischen Planung ein Stückweit selbst zu steuern, welche Arbeitsverhältnisse von der Übertragung erfasst werden sollen. Der Schlüssel hierzu liegt in der organisatorischen Zuordnung von Mitarbeitern, die mit Blick auf den Erwerbsvorgang geändert werden kann. Eine Möglichkeit zum Ausschluss einzelner Mitarbeiter, die der betroffenen wirtschaftlichen Einheit klar zuzuordnen sind, beinhaltet dies zwar nicht. Gleichwohl ist im konkreten Fall zu prüfen, ob die Betriebsorganisation vor der Übertragung an Konzepte und Strukturen des Erwerbers oder eigene Vorstellungen angepasst werden sollte, nach denen möglichst viele oder - im Gegensatz hierzu - nur ganz bestimmte Arbeitsverhältnisse von § 613 a BGB erfasst werden. Selbstverständlich sind in diesem Rahmen die mit den Arbeitnehmern geschlossenen einzelvertraglichen Vereinbarungen zu beachten, die einer organisatorischen Änderung entgegenstehen können und - ggf. unter Beteiligung des Betriebsrats - einseitig oder einvernehmlich angepasst werden müssen.

Quelle: Dr. Sabine Bechtel (Taylor Wessing Frankfurt am Main)
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