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Tarifgemeinschaft CGZP nicht tariffähig – Unternehmen drohen Nachforderungen in Milliardenhöhe

19.01.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (Az.: 1 ABR 19/10) zur fehlenden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP)

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Beschluss festgestellt, dass die CGZP keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) und damit nicht tariffähig ist. Betroffenen Zeitarbeitsunternehmen drohen nun Nachforderungen von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen in Milliardenhöhe. Für letztere haften neben den Zeitarbeitsunternehmen auch die Entleiher. Angesichts des Ausmaßes potenzieller Nachforderungen steht zu befürchten, dass auch auf die Entleiher Nachzahlungen in erheblicher Höhe zukommen können. Jeder Entleiher, der in der Vergangenheit Leiharbeitnehmer beschäftigt hat, sollte daher prüfen, ob diese beim Verleiher auf Basis eines Tarifvertrages der CGZP angestellt waren und damit das Risiko einer Inanspruchnahme durch die Sozialversicherungsträger besteht.


Einleitung

Arbeitnehmerüberlassung – auch „Leih- oder Zeitarbeit“ genannt – gilt als eines der bedeutsamsten arbeitsrechtlichen Instrumente für flexiblen Personaleinsatz. Wesentliches Charakteristikum ist, dass der Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) nicht bei seinem Vertragsarbeitgeber (Verleiher) tätig wird, sondern in den Betrieb eines Dritten (Entleiher) überlassen und dort nach dessen Weisungen tätig wird. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht für Leiharbeitnehmer einen Gleichbehandlungsgrundsatz im Hinblick auf die Stammarbeitskräfte im Entleiherbetrieb vor. Damit dürfen Leiharbeitnehmer bezüglich ihrer wesentlichen Arbeitsbedingungen (Lohn, Urlaub, Arbeitszeit etc.) nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare Stammarbeitskräfte im Entleiherbetrieb (Equal Pay Grundsatz). Von diesem Grundsatz kann durch Tarifvertrag auch zu Lasten der Leiharbeitnehmer abgewichen werden. Tarifverträge können auf Arbeitnehmerseite jedoch nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss solcher Gewerkschaften (Spitzenorganisation) abgeschlossen werden.


Sachverhalt

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die CGZP ist ein Zusammenschluss von ursprünglich sechs Gewerkschaften, heute gehören ihr noch drei Mitgliedsgewerkschaften an. Die alleinige satzungsmäßige Aufgabe der CGZP ist der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitgebern, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreiben wollen. Seit 2003 hat die CGZP dementsprechend zahlreiche Tarifverträge geschlossen, die teilweise wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen für die betroffenen Leiharbeitnehmer vorsahen – beispielsweise Bruttostundenlöhne von nur EUR 4,80. Laut Berichten in den Medien haben wenigstens 1.600 Verleiher in der Vergangenheit auf Basis von CGZP-Tarifwerken operiert. Das gemeinsam von ver.di und dem Land Berlin eingeleitete Beschlussverfahren betraf die Feststellung der Tariffähigkeit der im Dezember 2002 gegründeten CGZP.


Entscheidung

Die Vorinstanzen hatten bereits festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig sei. Die dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts nun zurückgewiesen. Die CGZP sei demnach keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften (CGM, DHV und GÖD) nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem gehe der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus. Demnach kann die CGZP keine wirksamen Tarifverträge abschließen.


Auswirkungen auf die Praxis

Verleihern sowie betroffenen Entleihern drohen nun Nachzahlungen in erheblicher Höhe. Leiharbeitnehmer, die in der Vergangenheit gegenüber vergleichbaren Stammarbeitskräften niedriger entlohnt worden sind, könnten nun gegebenenfalls rückwirkend bis zur Verjährungsgrenze diese Lohndifferenz gegenüber ihren Verleihern geltend machen. Neben höheren Löhnen hätte der Verleiher zudem entsprechend höhere Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen, hier droht dem Verleiher daher eine Inanspruchnahme durch die Sozialversicherungsträger. Für diese Nachforderungen der Sozialversicherungsträger, die Schätzungen zufolge mehrere hundert Millionen Euro betragen, haften neben den Verleihern auch die Entleiher, beispielsweise im Falle einer Insolvenz des Verleihers.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob und inwieweit entsprechende Nachforderungen bereits zum jetzigen Zeitpunkt berechtigterweise erhoben werden können. Zu prüfen wäre hier unter anderem, ob neben der CGZP gegebenenfalls eine (tariffähige) Mitgliedsgewerkschaft einen (wirksamen) Tarifvertrag mit abgeschlossen hat. Auch können den Ansprüchen möglicherweise vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen entgegengehalten werden. Fraglich ist schließlich, inwieweit die schriftliche Begründung des Urteils tatsächlich entsprechende Forderungen rechtfertigt.

Bisher liegt nur eine amtliche Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (Nr. 93/10) zur Entscheidung vor, die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses mit den genauen Gründen steht hingegen noch aus. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Ansprüche bereits zum jetzigen Zeitpunkt geltend gemacht werden. So finden sich etwa im Internet bereits erste von Gewerkschaften zur Verfügung gestellte Musterformulare für betroffene Leiharbeitnehmer zur „Geltendmachung von gleicher Vergütung“. Spätestens nach Erscheinen der schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses in voraussichtlich einigen Wochen, sollten betroffene Verleiher sowie Entleiher eine Strategie festlegen, wie sie mit potenziellen Nachforderungen verfahren und inwieweit Rückstellungen zu bilden sind.

Quelle: Daniel Hautumm (Taylor Wessing München)
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