07.05.2013 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Antragsteller betreibt seit 1996 ein Reise- und Handelsgewerbe mit Schrott. Seit Mitte des Jahres 2007 bestehen Geschäftsbeziehungen zu F. In den streitbefangenen Rechnungen wird über Schrottlieferungen an den Antragsteller abgerechnet. Als leistender Unternehmer ist „F., Schrott & Metallhandel, mit vollständiger Anschrift und Steuernummer“ benannt. Dieser hat auf den Rechnungen quittiert, den jeweiligen Rechnungsbetrag erhalten zu haben. Das FA versagt den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass F. kein Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG sei. Dies sei für den Antragsteller zu erkennen gewesen. Er (Antragsteller) hätte auch wissen müssen, dass die in den Rechnungen bescheinigten Beträge in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen seien. Der Antragsteller sei bereits seit Jahren im Schrotthandel tätig. Vor diesem Hintergrund könne ihm nicht verborgen geblieben sein, dass F. von Schrotthändlern als „Schreiber“ ausgenutzt worden sei.
Das FA folgert dies aus folgenden - im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ermittelten - Umständen: F. verfüge über kein typisch ausgestattetes Büro und keinen üblicherweise erforderlichen Zwischenlagerplatz. Stattdessen betreibe F. sein Unternehmen von seiner Wohnung aus. Dort sei zwar ein Schreibtisch, aber keine Computertechnik vorhanden gewesen. F. verfüge über kein eigenes Fahrzeug, um die Altmetalle zu transportieren, lediglich in der Zeit vom 02.03.2010 bis 27.04.2010 sei ein 18 Jahre alter Lkw auf ihn zugelassen worden. Nach außen hin sei F. nicht werbend aufgetreten. Er verfüge über keinen Festnetzanschluss und sei auch im Telefonbuch oder in den „Gelben-Seiten“ nicht eingetragen. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung soll F. innerhalb von 14 Monaten bei verschiedenen Recyclingunternehmen Ablieferungen von etwa 4,15 Mio Euro getätigt haben. F. habe bei den Vernehmungen keine glaubhaften Angaben zur Herkunft der Materialien, deren Unterschiede und den Preisen machen können. In einem aufgefundenen Schreiben habe er gestanden, von Personen aus X. nur als „Schreiber“ benutzt worden zu sein. Dies decke sich mit den beschlagnahmten handschriftlichen Kalenderaufzeichnungen von F. Danach sei dieser regelmäßig von einer bestimmten Person (S.) abgeholt, auf einem entsprechenden Schrottfahrzeug mitgefahren zu dem Schrotthof des Antragstellers, wo er dann die Rechnung unterschrieben und den Schreiberlohn erhalten habe.
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Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den F.-Rechnungen. Er trägt vor, alles ihm Zumutbare getan zu haben, um die Unternehmereigenschaft des Lieferanten F. zu überprüfen. So habe er sich von F. die Gewerbeanmeldung und die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts M. vorlegen lassen. Während der Geschäftsbeziehung seien Bescheinigungen von F. vorgelegt worden, wonach dieser mit der laufenden Umsatzsteuer in Rückstand sei. Hieraus habe er (Antragsteller) den Schluss gezogen, dass F. die Umsätze ordnungsgemäß angemeldet habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, zu prüfen, woher sein Lieferant (F.) die Ware bezogen habe. Gerade im Bereich des Schrotthandels gehörten die Bezugsquellen zu den wichtigsten Betriebsgeheimnissen. Bei allen Lieferungen seien die jeweiligen Lieferanten zugegen gewesen. Die Auszahlungen seien nur an diese persönlich erfolgt. Art und Menge der gelieferten Ware hätten auch keinen Anlass zu Zweifeln an der Identität von Lieferer und Rechnungsaussteller ergeben. Die bei den Anlieferungen zusätzlich anwesenden Personen, insbesondere Fahrer, hätten nicht den Eindruck erweckt, die in Wahrheit handelnden Personen (Lieferanten) zu sein.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet (FG Niedersachsen, Beschluss vom 6.7.2012 – 5 V 40/12). Die Aussetzung der Vollziehung soll nach FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt wurden, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Nachhaltig ist eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Erzielung von Entgelten. Dabei ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgeblich. Der Lieferant F. hat über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl von Lieferungen an den Antragsteller und andere Recyclinghöfe ausgeführt. Er ist damit nachhaltig tätig geworden. Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist. Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (als sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmannes tatsächlich ausgeführt hat. Entsprechende Grundsätze gelten für den "Strohmann" als Leistungsempfänger. Belastbare Anhaltspunkte und Auffälligkeiten dafür, dass der Antragsteller erkennen konnte und musste, dass es sich bei dem Lieferanten F. um einen bloßen „Schreiber“ (Strohmann) handelt, sind vom FA bislang nicht vorgetragen.
Da das FA im AdV-Verfahren keine für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vorgetragen hat, war AdV ohne Sicherheit zu gewähren.
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