20.03.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutscher Bundestag.
Bei einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz zum Abbau der Kalten Progression (17/8683) und zum Achten Existenzminimumbericht (17/5550) erklärte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund), „dass seitens der Kommunen angesichts der äußerst prekären Haushaltslage insbesondere der letzten Jahre und der hiermit verbundenen kommunalen Schuldenlast Steuererleichterungen nicht befürwortet werden können“. Es gebe auch grundsätzlich keine Notwendigkeit zu weitergehenden, über die verfassungsrechtlich gebotene Erhöhung des Grundfreibetrags hinausgehenden Tarifänderungen. Auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft lehnte „die Hauptlinien des Gesetzentwurfs ab, denn mit diesen sind in den kommenden Jahren Steuerausfälle von jährlich rund sechs Milliarden Euro verbunden, die weder die Haushalte des Bundes, der Länder noch der Gemeinden mittelfristig verkraften können“.
Ziel des Gesetzentwurfs ist der Abbau inflationsbedingter und „nicht gewollter Steuerbelastungen“. Zur Begründung heißt es, im System des progressiv gestalteten Einkommensteuertarifs profitiere der Staat von systembedingten Steuereinnahmen, die über den Effekt der kalten Progression entstehen würden. Es solle jedoch verhindert werden, „dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen“.
Daher ist eine stufenweise Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags in zwei Schritten zum 1. Januar 2013 auf 8.130 Euro und zum 1. Januar 2014 auf 8.354 Euro (insgesamt plus 350 Euro) vorgesehen. Die Anhebung orientiert sich an der voraussichtlichen Entwicklung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums. Auch der Tarifverlauf soll prozentual wie der Grundfreibetrag um 4,4 Prozent angepasst werden. Ohne Anpassung des Tarifverlaufs käme es durch die alleinige Anhebung des Grundfreibetrags bei konstantem Eingangssteuersatz zu einer nicht gewollten „Stauchung“ des Tarifs innerhalb der ersten Progressionszone und damit zu einem Anstieg der Progression, wird erläutert.
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Von anderen Sachverständigen wurden die geplanten Steuersenkungen positiv bewertet. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft begrüßten in einer gemeinsamen Stellungnahme das Vorhaben, erklärten aber auch: „Hierdurch werden die tatsächlichen Steuermehreinnahmen aus der kalten Progression bis 2014 jedoch nicht vollständig ausgeglichen. In puncto Rückgabe der Steuermehreinnahmen aus der kalten Progression an die Steuerbürger wird so allenfalls der erste Schritt umgesetzt.“ Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung wies darauf hin, dass das gesamte Steueraufkommen im Jahre 2014 um knapp 100 Milliarden Euro höher als 2010 ausfallen werde. Es zog die Schlussfolgerung: „Auf Einkommensteuereinnahmen, die allein aus der kalten Progression entstehen, sollte der Staat somit verzichten können.“
Der Bund der Steuerzahler widersprach der von einigen Sachverständigen geäußerten Ansicht, es handele sich um Steuersenkungen. De facto handele es sich bei der kalten Progression um Steuererhöhungen, deren Abbau überfällig sei. Auch warnte die Organisation davor, nur den steuerlichen Grundfreibetrag zu erhöhen, weil das aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei. Es müsse auch zu einer Senkung des Steuertarifs kommen, weil sonst die Steuersätze gerade im Anfangsbereich extrem steil ansteigen würden. Zur Anhebung des Grundfreibetrages bereits im kommenden Jahr um 126 auf 8.130 Euro erklärte die Organisation, diese Erhöhung sei folgerichtig und zwangsläufig: „Die Höhe orientiert sich eher an der unteren Grenze dessen, was verfassungsrechtlich geboten ist“.
Während das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung an die in den letzten Jahren deutlich zurückgegangene Steuerbelastung von Spitzenverdienern erinnerte, wies Professor Giacomo Corneo (Freie Universität Berlin) auf einen Effekt durch die seiner Ansicht nach unzureichende Anpassung des Spitzensteuersatzes hin. „Im Jahr 1958 musste man in der Bundesrepublik Deutschland etwa das 23-fache des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf verdienen, um dem Spitzensteuersatz zu unterliegen. 2005 reichte schon aus, gut das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf zu verdienen. So mussten Mittelschichthaushalte 2005 den gleichen Grenzsteuersatz wie Bankiers und Industriemagnaten zahlen.“
Quelle: Deutscher Bundestag
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