09.07.2013 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH. Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei. Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.
Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging das FA davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18.9.1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (BFH-Urteil vom 25.4.2013, V R 28/11). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.
Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein. Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".
Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.
Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind. Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.
Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht erworben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Geschäftsführer der GmbH ausgab. Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.
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