17.05.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs).
Selbstkontrolle hat einen guten Ruf: Zahlreiche Studien belegen, dass sie in verschiedensten Lebensbereichen positiv wirkt. Eine so erstrebenswerte Fähigkeit sollte sich doch trainieren lassen – oder nicht? Psychologen der Universität des Saarlandes werteten in einer Metaanalyse 33 Studien zu Selbstkontrolltrainings aus. Die Wirksamkeit dieser Trainings zeigte sich nur bedingt. Die Ergebnisse der Studie werden demnächst in der Fachzeitschrift „Perspectives on Psychological Science“ erscheinen.
Selbstkontrolle ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu kontrollieren. Dazu gehört vor allem, innere Impulse zu unterdrücken oder zu steuern – wie zum Beispiel der Student, der bei schönem Wetter in der Bibliothek lernt anstatt zum Badesee zu fahren, oder die ehemalige Raucherin, die in einer Stresssituation nicht zur beruhigenden Zigarette greift. Auch um eine „gute Miene zum bösen Spiel“ machen zu können, bedarf es an Selbstkontrolle. Wie viele Studien zeigen, haben Menschen, die sich gut selbst kontrollieren können, mehr Erfolg, stabilere soziale Beziehungen und sind bei besserer körperlicher und psychischer Gesundheit. Da wäre es doch beruhigend, wenn sich Selbstkontrolle durch Übung trainieren ließe. „Die Ergebnisse unserer Metaanalyse legen nahe, dass dies möglich ist – auch wenn noch viele Fragen offen sind“, sagt Malte Friese, Professor für Sozialpsychologie an der Universität des Saarlandes.
Gemeinsam mit Julius Frankenbach, Veronika Job und David Loschelder wertete er Studien aus, in denen die Wirksamkeit von Selbstkontrolltrainings untersucht wurde. Der Gedanke hinter diesen Trainings basiert auf dem sogenannten Ressourcenmodell der Selbstkontrolle. Dieses geht davon aus, dass sich Selbstkontrolle wie ein Muskel trainieren lässt: je häufiger man eine Tätigkeit, die Selbstkontrolle erfordert, gezielt ausübt, desto stärker wird die Fähigkeit und desto mehr Kontrollressourcen hat man, wenn man sie braucht. So wird in einigen Trainings beispielsweise geübt, Alltagstätigkeiten wie Zähneputzen mit der nicht-dominanten Hand auszuführen oder eine aufrechte Haltung zu bewahren anstatt gebeugt am Schreibtisch zu sitzen. Wirksamkeitsstudien untersuchen häufig, inwiefern sich die eingeübten Selbstkontrollfähigkeiten auch auf andere Lebensbereiche auswirken, also beispielsweise mit dem Rauchen aufhören zu können, weniger aggressives Verhalten zu zeigen oder körperliche Anstrengungen länger durchzuhalten. Die Psychologen haben sich 33 solcher Trainingsstudien genauer angeschaut und über alle diese Studien hinweg die Stärke des Trainingseffekts geschätzt. Durch die gleichzeitige Betrachtung mehrerer Studien erlaubt diese sogenannte Metaanalyse bessere Schlussfolgerungen als einzelne Studien.
Im Durchschnitt zeigten sich kleine bis mittlere Trainingseffekte, die aber von Studie zu Studie stark schwankten. „Warum die Trainings effektiv sind – also welche psychologischen Mechanismen diesem Effekt zugrunde liegen – ist aber nach wie vor nicht ganz klar“, sagt Malte Friese. „Möglich ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an solchen Trainings auch eine Erwartung aufgebaut haben, dass ihnen die Übungen helfen würden. Ein Teil des Trainingserfolgs könnte demnach auf eine Art Placebo-Wirkung zurückgehen und nicht darauf, dass spezifisch die Ausübung von Selbstkontrolle geübt wurde.“
Anders als frühere Analysen bezogen die Saarbrücker Wissenschaftler auch unveröffentlichte Arbeiten mit ein. „Häufig werden Studien über nicht erfolgreiche Trainings nicht publiziert“ gibt Malte Friese zu bedenken. „Wenn man lediglich die veröffentlichten Studien mit einbezieht, ergibt sich ein größerer Trainingseffekt.“ Sein Fazit lautet: „Nach dem heutigen Stand des Wissens lässt sich Selbstkontrolle durch Übung zumindest kurzfristig stärken, aber es gibt noch viele offene Fragen: Wie groß ist der Effekt wirklich? Warum wirken die Trainings? Wie lange halten die Effekte an?"
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