19.03.2018 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.
Die Forscherinnen haben zusammengestellt, was die Arbeitswissenschaft über die Risiken der Schichtarbeit herausgefunden hat – und welche Maßnahmen in Sachen Arbeitszeit und Arbeitsgestaltung den Betroffenen helfen. Ihr Fazit: Schichtarbeit kann nur gute Arbeit sein, wenn sie vernünftig gestaltet wird.
Erkennen - Erfassen - Verringern
Jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet außerhalb der „normalen“ Zeiten von 7 bis 19 Uhr. 13 Prozent aller Arbeitnehmer müssen sich mit wechselnden Schichten arrangieren: Früh- und Spät-, oft auch Nachtschicht. Laut einer aktuellen Befragung der IG Metall sind nur 35 Prozent der Schichtarbeiter mit ihren Arbeitszeiten zufrieden. Von den übrigen Beschäftigten sind es 54 Prozent.
Nachtschicht widerstrebt der Natur des Menschen. Das ist eine wissenschaftlich anerkannte Tatsache. Sie bringt die innere Uhr durcheinander, den Mechanismus, der den Aktivitätsrhythmus von Lebewesen mit der Drehung der Erde in Einklang bringt. Für die Erforschung dieser Zusammenhänge haben drei Mediziner im vergangenen Jahr den Nobelpreis bekommen.
Eine Lebensgestaltung, die den natürlich Tag-Nacht-Rhythmus ignoriert, kann die Gesundheit aus verschiedensten Gründen beeinträchtigen, so Arlinghaus und Lott. Schlafstörungen, insgesamt kürzere Schlafzeiten, also über lange Zeiträume angesammelte Schlafdefizite, treten bei Schichtarbeitern häufig auf. Dadurch verschlechtert sich zum Beispiel die Reaktionsfähigkeit, was Unfälle begünstigt. Statistisch sind auch Zusammenhänge zwischen Schichtarbeit und Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und sogar Krebs nachgewiesen. Ob die Abkopplung vom normalen Tag-Nacht-Schema und daraus folgende Schlafdefizite die Abwehrkräfte schwächen und auf diese Weise allen möglichen Krankheiten Vorschub leisten oder ob es engere Zusammenhänge zwischen diesem Arbeitszeitmodell und bestimmten Leiden gibt: Das ist nicht abschließend geklärt. „Uneinheitlich“ seien die Befunde, was die Gesundheit betrifft, schreiben die Wissenschaftlerinnen.
Häufig steht Schichtarbeit dem Sozialleben im Wege, denn sie durchbricht nicht nur den biologischen Rhythmus, sondern auch die soziale Norm: Feierabend und freies Wochenende sind für die Mehrheit selbstverständlich, Schichtarbeiter tun sich mit der Teilnahme an regelmäßigen Terminen, zum Beispiel in Vereinen, aber schwer. Anderseits kommen versetzte Arbeitszeiten manchmal den familiären Anforderungen entgegen – etwa wenn Väter nach der Frühschicht die Kinder aus der Kita abholen können, während die meisten anderen noch einige Stunden im Büro sitzen müssen. „Insgesamt überwiegen aber die familiären Nachteile der Schichtarbeit“, urteilen Arlinghaus und Lott.
Grundsätzlich sei es auch eine Altersfrage, wie Beschäftigte mit der Schichtarbeit zurechtkommen, so die Forscherinnen. Ältere haben meist größere Probleme als Jüngere. Was allerdings nicht bedeutet, dass wechselnde Zeiten in jungen Jahren immer unproblematisch sind. Das lasse sich schon daran ablesen, dass sich relativ viele bereits in der „Anpassungsphase“, den ersten fünf Jahren im Schichtdienst, einen anderen Job suchen. Diese „Selbstselektion“ erschwere im Übrigen die Analyse der langfristigen Auswirkungen von Schichtarbeit. Denn bei denen, die schon Jahrzehnte zu rotierenden Zeiten arbeiten, dürfte es sich um die Gruppe mit den geringsten Problemen handeln.
Trotz aller Nachteile lehnen Arlinghaus und Lott die Schichtarbeit nicht in Bausch und Bogen ab. Ein kompletter Verzicht auf Schichtarbeit, etwa Nachtdienst im Krankenhaus, sei gar nicht möglich. Aber wenigstens lasse sie sich häufig besser organisieren. Mit ihren Anregungen stützen sich die Wissenschaftlerinnen auf positive Praxisbeispiele. Die wichtigsten Punkte:
Anna Arlinghaus, Yvonne Lott: Schichtarbeit gesund und sozialverträglich gestalten (pdf), Forschungsförderungs-Report Nr. 2, März 2018.
Infografik zum Download in Böckler Impuls 04/2018
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