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Rückzahlung überzahlter Vergütung und Probleme mit der Ausschlussfrist

16.02.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil v. 13.10.2010 - 5 AZR 648/09) zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Lohnrückzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen kann und insbesondere in welchen Fällen er einwenden kann, dass die Geltendmachung der Ausschlussfrist durch den Arbeitnehmer rechtsmissbräuchlich sei

Einleitung

Hat der Arbeitnehmer mehr Lohn erhalten, als ihm zustand, hat der Arbeitgeber insoweit grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung. Die Arbeitsvertragsparteien können im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass der Arbeitnehmer zur Rückzahlung zuviel gezahlten Entgeltes verpflichtet ist. Dies ist grundsätzlich empfehlenswert. Ohne eine solche Vereinbarung bleibt nur der gesetzliche Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Nachteil des rein gesetzlichen Rückzahlungsanspruchs ist, dass dieser gem. § 814 BGB ausgeschlossen ist, sofern der Arbeitgeber trotz Kenntnis der Überzahlung zu viel Lohn an den Arbeitnehmer auszahlt. Außerdem kann sich der Arbeitnehmer – anders als bei vertraglich vereinbartem Rückzahlungsanspruch – auf eine sog. Entreicherung berufen, d.h. er kann geltend machen, das Geld bereits für Aufwendungen ausgegeben zu haben, die er, normalerweise nicht getätigt hätte. Bereits dies kann die Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen erschweren.

Der Rückzahlungsanspruch ist auch aus einem weiteren Grund oftmals nur schwer durchzusetzen. Er unterliegt arbeits- oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Ein Rückzahlungsanspruch ist dabei unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers bereits im Zeitpunkt der Überzahlung fällig, – d.h. die Ausschlussfrist beginnt regelmäßig schon mit Überzahlung zu laufen. Daher scheitert der Rückzahlungsanspruch häufig am Ablauf der Ausschlussfrist, wenn die Überzahlung oft erst Monate später erkannt wird. Dies scheint in den Fällen unbillig, in denen die Überzahlung dem Arbeitnehmer aufgefallen sein musste, er dies dem Arbeitgeber allerdings nicht mitgeteilt hatte. Ob und wann sich der Arbeitnehmer in diesen Fällen auf die Ausschlussfrist berufen darf bzw. dies rechtsmissbräuchlich ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil v. 13.10.2010 – 5 AZR 648/09).

Sachverhalt

Im April 2002 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell (zu weniger als 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit). Zuvor war die Arbeitnehmerin in Teilzeit (75 %) beschäftigt. Der Lohnstelle beim Arbeitgeber teilte die Personalabteilung allerdings die Vereinbarung der Altersteilzeit nicht mit, so dass die Arbeitnehmerin trotz Altersteilzeit zunächst weiter als „Vollbeschäftigter“ behandelt und bezahlt wurde. Dies („Vollbeschäftigter“) wurde der Arbeitnehmerin auf ihrer Gehaltsabrechnung auch so mitgeteilt. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Verpflichtung zur Rückzahlung überzahlter Vergütung. Im anwendbaren Tarifvertrag war eine Ausschlussfrist für gegenseitige Ansprüche vereinbart. Erst im Juli 2007 bemerkte der Arbeitgeber seinen Irrtum und machte die Rückzahlung der überzahlten Vergütung für den Zeitraum von Januar 2003 bis Juli 2007 geltend. Die Arbeitnehmerin lehnte eine Rückzahlung unter Berufung auf die bereits abgelaufenen Ausschlussfristen ab. Der Arbeitgeber meint, die Arbeitnehmerin könne sich nicht auf die Ausschlussfrist berufen, da sie es pflichtwidrig unterlassen habe, den Arbeitgeber auf die offensichtlichen Überzahlungen hinzuweisen.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Rückzahlungsklage für die von der tariflichen Ausschlussfrist erfassten Zeiträume abgewiesen. Das BAG hob diese Entscheidung auf und verwies sie an das LAG zurück. Entgegen der Auffassung des LAG könne es durchaus gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich sein, wenn der Arbeitnehmer sich auf den Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist beruft. Ein solcher Vorwurf des Rechtsmissbrauchs komme insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis des Irrtums des Arbeitgebers diesem pflichtwidrig Informationen vorenthalte, bei deren Kenntnis der Arbeitgeber seinen Irrtum entdeckt und er die Ausschlussfrist eingehalten hätte. Für einen solchen Rechtsmissbrauch komme es neben der vom Arbeitnehmer pflichtwidrig unterlassenen Mitteilung der Überzahlung darauf an, ob der Arbeitgeber wegen der nicht erfolgten Mitteilung der Überzahlung seinen Rückzahlungsanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht habe, d.h. die unterbliebene Mitteilung müsse für das Untätigbleiben des Arbeitgebers kausal geworden sein. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs scheide daher z.B. dann aus, wenn der Arbeitgeber anderweitig von der Überzahlung Kenntnis erhält und gleichwohl den Rückzahlungsanspruch nicht unverzüglich geltend macht. Der Arbeitgeber müsse daher spätestens nachdem er von der Überzahlung Kenntnis erlangt, innerhalb einer kurzen Frist seinen Rückzahlungsanspruch unverzüglich geltend machen. Das LAG wird nun zu untersuchen haben, ob der Arbeitgeber, nach Kenntnis von der Überzahlung tatsächlich unverzüglich den Anspruch geltend gemacht hat.

Praxishinweis

Das BAG macht in seiner Entscheidung deutlich, dass es für Arbeitgeber durchaus erfolgversprechend sein kann, den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu erheben, wenn sich der Arbeitnehmer bei Rückzahlungsansprüchen des Arbeitgebers auf die Ausschlussfrist beruft. Der Arbeitgeber muss dann (nur) nachweisen können, dass der Arbeitnehmer bereits zuvor Kenntnis von den nicht gerechtfertigten Überzahlungen, d.h. dem Irrtum des Arbeitgebers, hatte und dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber hierüber gleichwohl nicht informierte. In der o.g. Entscheidung reichte bereits die Mitteilung der „Vollbeschäftigung“ in der Gehaltsabrechnung zusammen mit der Kenntnis von der Überzahlung aus, um die Kenntnis des Arbeitnehmers vom Irrtum des Arbeitgebers nachzuweisen. Damit ein solcher Rechtsmissbrauch dann letztlich zu Gunsten des Arbeitgebers berücksichtigt werden kann, muss aber das pflichtwidrige Unterlassen der Anzeige der Überzahlungen durch den Arbeitnehmer Ursache dafür sein, dass der Arbeitgeber die Ausschlussfristen nicht eingehalten hat. Hat der Arbeitgeber daher zwischenzeitlich anderweitig Kenntnis von den Überzahlungen, muss er unverzüglich handeln.

Quelle: Irene Bergmann, LL.M. (Taylor Wessing Berlin)
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