29.10.2012 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr an mehreren Gesellschaften beteiligt. Er war zu 50 v.H. Gesellschafter der G Baugesellschaft mbH & Co. KG sowie Gesellschafter der Küchen & Bäder G OHG und der G E GmbH & Co. KG. Außerdem führte er als Einzelunternehmer das G Küchenzentrum.
Bei der G Baugesellschaft mbH & Co. KG handelt es sich um ein Bauträgerunternehmen. Es hat nach Angaben in der Lohnsteuer-Arbeitgeberakte nur einen Arbeitnehmer. Der Firmensitz befindet sich im gleichen Gebäudekomplex wie das G Küchenstudio. Neben dem Kläger sind seine beiden Söhne C und J G zu je 25 v.H. an der G Baugesellschaft mbH & Co. KG beteiligt. Durch Feststellungsbescheid vom 21.02.2005 ist dem Kläger ein Gewinnanteil an der G Baugesellschaft mbH & Co. KG in Höhe von 291.664,- € zugewiesen worden. Geschäftsführerin der G Baugesellschaft mbH & Co. KG war die Klägerin. Ausweislich der Lohnsteuerkarte bezog die Klägerin im Streitjahr 2003 ein Gehalt von 31.994,68 €. Andere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog sie nicht. Der Klägerin stand nach dem Geschäftsführervertrag vom 6.5.2002 ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, welches nach § 3 Satz 3 und 4 des Vertrages nur für Geschäftszwecke verwendet werden darf; Privatfahrten sind untersagt.
Tatsächlich wurde der Klägerin seit dem 1.5.2002 als Dienstwagen ein Porsche 911 4 S mit einem Listenpreis von 80.000,- € zur Verfügung gestellt. Mit Einkommensteuerbescheid 2003 vom 6.4.2005 setzte das FA die Einkommensteuer zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. In der Zeit vom 9.6.2006 bis zum 17.8.2006 fand bei der G Baugesellschaft mbH & Co. KG eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Der Lohnsteueraußenprüfer vertrat die Auffassung, dass der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines dienstlich überlassenen Kraftfahrzeuges zu versteuern sei. Die Klägerin habe weder ein Fahrtenbuch geführt, noch habe ihr Arbeitgeber das Verbot der Nutzung des Fahrzeugs für Privatfahrten ernstlich überwacht. Damit gelte der aus der Lebenserfahrung abgeleitete Anscheinsbeweis, dass das überlassene Fahrzeug auch für Privatfahrten genutzt werde. Den Nutzungsvorteil mit 80.000,- € x 0,12 % = 9.600,- €; zusätzlich brachte der Prüfer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Betrag von 288,- € (15 Fahrten pro Monat, 1km Entfernung) in Ansatz.
Mit Datum vom 26.10.2006 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2003 entsprechend den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung und setzte, neben mehreren für dieses Verfahren nicht erheblichen Punkten, die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit um 9.888,- € auf 41.882,- € herauf, wogegen die Kläger Einspruch einlegten. Diesen Bescheid änderte der Beklagte später nochmals am 3.12.2009 aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen; dabei hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Den Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 3.6.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Im Klageverfahren tragen die Kläger vor, dass die Klägerin den Porsche 911 nicht für private Zwecke genutzt habe. Für private Fahrten habe ihr ein im Privatvermögen gehaltener Mini Cooper S zur Verfügung gestanden. Dieser sei dem Porsche im Gebrauchswert und Status durchaus vergleichbar. Der Porsche eigne sich wegen seines kleinen Kofferraums auch nicht für Urlaubsfahrten. Sie habe den Porsche immer auf dem Firmengelände stehen lassen. Gegen eine Privatnutzung des Porsches spreche auch die relativ geringe Fahrleistung, die keinen Raum für weitere Privatfahrten lasse.
Auch dem Kläger sei für betriebliche Fahrten ein Dienstwagen überlassen worden; zudem habe ihm ein weiteres im Privatvermögen gehaltenes Fahrzeug zur Verfügung gestanden. Bei diesen beiden Fahrzeugen habe es sich um einen Aston Martin und einen BMW 760i gehandelt. Die Kläger haben erstmals im Klageverfahren ein Fahrtenbuch (Bl. 18, 19 FG-Akte) eingereicht. Sie räumen ein, dass dieses seinerzeit nicht existiert habe. Es hätten aber Aufzeichnungen über die Fahrten in Form einer Excel-Tabelle existiert, die nachträglich in die geschlossene Form des Fahrtenbuches übertragen worden seien. Das Fahrtenbuch bezieht sich auf die Jahre 2003-2006.
Die Kläger beantragen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 9.888 € zu mindern und die Einkommensteuer 2003 entsprechend niedriger festzusetzen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Das FA sieht die Angaben in dem Fahrtenbuch als nicht glaubhaft an, da es erst nachträglich vorgelegt worden sei. Reisekostenabrechnungen, die die Eintragungen bestätigen würden, seien nicht vorhanden.
Die Klage ist begründet (FG Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2012 – 3 K 406/10). Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nicht um einen geldwerten Vorteil für die private Nutzung eines dienstlich überlassenen Kraftfahrzeugs zu erhöhen. Die Einkünfte der Klägerin sind nicht um einen entsprechenden Nutzungsvorteil zu erhöhen, weil das FA nicht nachgewiesen hat, dass die Klägerin das ihr überlassene betriebliche Fahrzeug auch zu privaten Fahrten nutzt. Dies geht zum Nachteil des FA, das insoweit die Feststellungslast trägt.
Nach der Rechtsprechung des BFH spricht aufgrund der Lebenserfahrung ein Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) dafür, dass ein zur privaten Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug auch tatsächlich privat genutzt wird. Die Privatnutzung ist in diesem Fall mit der 1%-Regelung anzusetzen. Allerdings kann der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden; dazu bedarf es nicht des vollen Beweises des Gegenteils. Der Anscheinsbeweis ist vielmehr schon dann entkräftet oder erschüttert, wenn ein Sachverhalt substantiiert dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt.
Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt zu haben, genügt allerdings nicht, um die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen. Im Streitfall ist der Klägerin nach ihrem Anstellungsvertrag die private Nutzung des Porsches 911 ausdrücklich untersagt. Damit greift nach der neueren Rechtsprechung des VI. BFH der Anscheinsbeweis nicht ein.
Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden (BFH-Az. VI R 23/12).
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