Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Ohne Ende Urlaub(-sabgeltungsansprüche)?

16.03.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Praxis-Hinweise der Sozietät Taylor Wessing zu einer Reihe von jüngeren landesarbeitsgerichtlichen Urteilen, die sich entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dafür aussprechen, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen auch auf Urlaubsabgeltungsansprüche anwendbar sind.

Einleitung

Bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im März 2009 war die Rechtslage hinsichtlich der notwendigen Inanspruchnahme des zustehenden Urlaubs eindeutig. Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) musste der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Unter Umständen war eine Übertragung in das Folgejahr möglich. Wurde der Urlaub auch bis zum Ablauf dieses Übertragungszeitraums nicht genommen, so verfiel der Anspruch.

Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BAG waren Urlaubsabgeltungsansprüche nicht von tarifvertraglichen Ausschlussfristen erfasst (BAG, Urteil vom 20.01.2009 – Az.: 9 AZR 650/07; BAG, Urteil vom 21.06.2005 – Az.: 9 AZR 200/04). Dies wurde vor allem damit begründet, dass den Urlaubsabgeltungsansprüchen ein eigenes zeitliches Regime zu Grunde liegt. Der Urlaub musste nach § 7 Abs. 3 BUrlG spätestens innerhalb des Übertragungszeitraums genommen werden. Geschah dies nicht, verfiel der Urlaub und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden hierfür folglich keine Ausgleichsansprüche.

Im Anschluss an die sogenannte Schultz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 20.01.2009 – C-350/06 und C-520/06) hat das BAG im März 2009 entschieden, dass die Urlaubsansprüche dann nicht mehr verfallen, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit daran gehindert war, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (BAG, Urteil vom 24.03.2009 – Az.: 9 AZR 983/07). Daraus folgt, dass diese Urlaubsansprüche im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG finanziell abzugelten sind. Dies kann dazu führen, dass Arbeitgeber sich lange Zeit nach Beendigung plötzlich - zum Teil horrenden - Forderungen ausgesetzt sehen.

Anzeige

Urlaubsansprüche, Elternzeit, Kurzarbeit:

Durchdringen Sie den Paragraphenwald
mit Hilfe unserer Experten, die Sie sicher durch den Dschungel der Rechtsprechung führen:

Arbeitsrecht aktuell

Aktuelle Rechtsprechung 2010 / 2011

Hier mehr erfahren »
Einige Landesarbeitsgerichte hatten nun über Klagen zu entscheiden, bei denen Arbeitnehmer als Reaktion auf diese neue Rechtsprechung des BAG Urlaubsabgeltungsansprüche nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht haben (LAG Köln, Urteil vom 20.04.2010 – Az.: 12 Sa 1448/09; LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2010 – Az.: 10 Sa 203/10; LAG München, Urteil vom 24.06.2010 – Az.: 4 Sa 1029/09; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010 – Az.: 2 Sa 1464/10).

Sachverhalt

In sämtlichen Verfahren waren die Kläger Arbeitnehmer, die langjährig arbeitsunfähig erkrankt waren und daher ihren Urlaub nicht nehmen konnten. Nach Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse erhoben sie Klage auf Zahlung von Urlaubsabgeltungsansprüchen nach § 7 Abs. 4 BUrlG für die Jahre, in denen sie krank waren. Auf alle Arbeitsverhältnisse waren Tarifverträge anwendbar, die für die Geltendmachung von Ansprüchen eine Ausschlussfrist vorsahen. Demnach verfielen sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer gewissen Frist geltend gemacht wurden. In jedem der entschiedenen Fälle war die tarifvertragliche Frist für die Geltendmachung der Ansprüche bereits abgelaufen.

Entscheidung

Die Landesarbeitsgerichte haben nun übereinstimmend entschieden, dass als Konsequenz aus der neuen Rechtsprechung des BAG zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei Krankheit die tariflichen Ausschlussfristen entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Geltendmachung der Urlaubsabgeltungsansprüche anzuwenden sind. Es handele sich bei den Abgeltungsansprüchen um normale Geldansprüche, auf die, wie auf alle anderen Ansprüche, die Ausschlussklauseln Anwendung finden.

Die Abgeltungsansprüche würden eine normale Geldschuld aus dem Arbeitsverhältnis darstellen. Es gäbe keine sachlichen Gründe, die Möglichkeit ihrer Geltendmachung im Gegensatz zu den anderen Ansprüchen nicht zeitlich zu begrenzen. Die Ausschlussklauseln verfolgen den Zweck, für rasche Rechtssicherheit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu sorgen.

Den Urlaubsansprüchen liege aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BAG kein eigenes zeitliches Regime mehr zu Grunde. Gegen die Anwendbarkeit der Ausschlussklauseln könne auch nicht sprechen, dass die Urlaubsabgeltungsansprüche nicht abdingbar sind. Auch gesetzlich unabdingbare Ansprüche könnten einer Ausschlussfrist unterliegen. Dies hat das BAG für die gemäß § 12 EFZG ebenfalls unabdingbaren Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entschieden (BAG, Urteil vom 16.01.2002 – Az.: 5 AZR 230/00).

Auch aufgrund europarechtlicher Vorgaben ergebe sich kein anderes Ergebnis. Nach den entsprechenden Europäischen Richtlinien sei nur notwendig, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit bekommt, seine Urlaubsansprüche zu realisieren. Sei es in Gestalt von tatsächlich gewährtem Urlaub, sei es in Gestalt von einer finanziellen Abgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Möglichkeit bestehe hier bis zum Ablauf der Ausschlussfrist. Ein weitergehender Schutz sei nicht notwendig.

Die Klagen wurden daher sämtlich abgewiesen.

Bewertung

Die Landesarbeitsgerichte haben die Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen konsequent fortentwickelt. Die Urteile der Landesarbeitsgerichte sind allerdings noch nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass in Kürze eine grundlegende Entscheidung des BAG hierzu erfolgen wird. Es bleibt also abzuwarten, ob das BAG auch von der bisherigen Linie abweichen und den Landesarbeitsgerichten folgen wird.

Quelle: Dr. Sven Heide (Taylor Wessing Hamburg)
nach oben
FAQ