21.11.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Ein in Krisenzeiten häufig angewandtes Mittel ist die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb. In diesem Fall arbeiten die Arbeitnehmer eines Betriebes über einen bestimmten Zeitraum weniger oder gar nicht mehr (sog. "Kurzarbeit Null"). Die Kurzarbeit bedarf einer rechtlichen Grundlage, sei es in einem Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag. Der infolge der Kurzarbeit eintretende Entgeltausfall lässt sich jedenfalls teilweise durch das Kurzarbeitergeld kompensieren, das von der Agentur für Arbeit gezahlt wird und je nach Familienstand zwischen 60% und 67% der sog. Nettoentgeltdifferenz beträgt. Seit dem 1. Januar 2012 wird nur noch für maximal 6 Monate Kurzarbeitergeld gezahlt. Während der "Kurzarbeit Null" kann kein Urlaub genommen und gewährt werden. Urlaub und "Kurzarbeit Null" schließen sich insoweit gegenseitig aus.
Europarechtlich war bisher nicht geklärt, ob während der "Kurzarbeit Null" ebenso wie bei Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer Urlaubsansprüche entstehen. Das Unionsrecht - die Charta der Grundrechte der EU i. V. m. der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 gewährt jedem Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf, wenn er während des Arbeitsverhältnisses nicht genommen wurde.
Zwei Arbeitnehmer eines Automobilzulieferers haben nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Klage gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber auf Auszahlung ihres Resturlaubs beim Arbeitsgericht Passau erhoben. Die Kläger befanden sich in dem Jahr vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses für mehrere Monate in "Kurzarbeit Null" und waren der Meinung, dass auch während der rechtmäßig eingeführten Kurzarbeit der volle Anspruch auf bezahlten Urlaub entstanden sei. Die Kurzarbeit dürfe keine Auswirkungen auf die Berechnung ihres Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub haben.
Das Arbeitsgericht Passau hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob es mit Unionsrecht vereinbar sei, wenn sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Urlaub im Falle einer rechtmäßigen "Kurzarbeit Null" – auf das Kalenderjahr bezogen pro rata temporis – auf Null reduziert und der Arbeitnehmer damit während der "Kurzarbeit Null" keinen Urlaubsanspruch erwirbt.
Der EuGH hat entschieden, dass das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen sich der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub durch eine wirksam eingeführte Kurzarbeit im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung verringert.
Der EuGH führt in seiner Entscheidung aus, dass sich die Situation eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit verkürzt werde, grundlegend von der eines für längere Zeit arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers unterscheide, der nach der Rechtsprechung des EuGH ebenso wie ein aktiver Arbeitnehmer den vollen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub habe. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit auf Null verkürzt werde, könne – anders als ein erkrankter Arbeitnehmer – die gewonnene Zeit nutzen, um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen.
Die Situation eines Kurzarbeiters sei mit der eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar. Der EuGH hat dazu auf seine Rechtsprechung verwiesen, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für die Dauer der Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt werde (EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - C-486/08 "Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols").
Die Entscheidung des EuGH hat die bisher überwiegend vertretene Auffassung bestätig, dass während der "Kurzarbeit Null" keine Urlaubsansprüche entstehen. Diese Klarstellung ist zu begrüßen.
Danach reduziert sich beispielsweise der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit einem Urlaubsanspruch von kalenderjährlich 28 Arbeitstagen für das Kalenderjahr 2012 auf 14 Tage, wenn er in 2012 für 6 Monate wirksam in Kurzarbeit Null gegangen ist.
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