30.05.2012 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der regelmäßigen Arbeitsstätte sorgt nach wie vor für große Rechtsunsicherheit und führt entsprechend häufig zu Auseinandersetzungen zwischen der Finanzverwaltung auf der einen Seite und Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf der anderen Seite. Im Rahmen der bevorstehenden Reisekostenreform beabsichtigt der Gesetzgeber, diesen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch eine Vielzahl von Urteilen der Finanzrechtsprechung geprägt ist und lediglich in den Lohnsteuerrichtlinien definiert ist, gesetzlich zu verankern. Bis zum Inkrafttreten der Reisekostenreform wird aber noch einige Zeit ins Land gehen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen wachsam sein.
Ob der Arbeitnehmer an einer regelmäßigen Arbeitsstätte tätig ist oder ob es sich um eine Auswärtstätigkeit handelt, ist von entscheidender Bedeutung für die betriebliche Reisekostenabrechnung und die richtige Einordnung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Ist die Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, richten sich der Werbungskostenansatz bzw. ein Arbeitgeberzuschuss für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Fahrtkostenzuschuss) nach der Entfernungspauschale. Hat der Arbeitnehmer einen Dienstwagen, ist entsprechend ein geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen. Handelt es sich bei der Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers jedoch nicht um eine regelmäßige Arbeitsstätte, sondern um eine auswärtige Tätigkeitsstätte, kommen Reisekostengrundsätze zur Anwendung.
Nach dem Wortlaut der Lohnsteuerrichtlinien (vgl. R 9.4 Absatz 3 LStR) gilt als regelmäßige Arbeitsstätte insbesondere jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufsucht.
Nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 21.12.09, IV C 5 - S 2353/08/10010, sind betriebliche Einrichtungen von Kunden des Arbeitgebers unabhängig von der Dauer der Tätigkeit nicht als regelmäßige Arbeitsstätten anzusehen. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte immer nur bei seinem (unmittelbaren) Arbeitgeber haben kann. Als Arbeitgeber ist hierbei derjenige anzusehen, mit dem der Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Vereinbarung abgeschlossen hat. Vorstehende Regelung gilt ausdrücklich nicht in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung, wenn ein Arbeitnehmer von einem Arbeitnehmerverleiher (Arbeitgeber) für die gesamte Dauer seines Arbeitsverhältnisses zum Verleiher dem Entleiher zur Tätigkeit in dessen betrieblicher Einrichtung überlassen oder mit dem Ziel der späteren Anstellung beim Entleiher (Kunden) eingestellt wird.
In der betrieblichen Praxis kommt es regelmäßig vor, dass betriebliche Bereiche aus betriebswirtschaftlichen Gründen in Tochtergesellschaften oder in andere betriebsfremde Gesellschaften ausgegliedert werden, der Arbeitnehmer jedoch seinen bisherigen (arbeitsrechtlichen) Status beibehält. In diesem Zusammenhang hat der Arbeitnehmer eine grundsätzliche arbeitsvertragliche Vereinbarung mit seinem (bisherigen) Arbeitgeber und ist gleichzeitig bei einem anderen Arbeitgeber, ggf. einem "Kunden" des (bisherigen) Arbeitgebers, beschäftigt. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 09.02.12, VI R 22/10 bestätigt, dass Arbeitnehmer in "Outsourcing-Fällen" - vergleichbar mit den bei Kunden ihres Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmern - regelmäßig auswärts und nicht an einer regelmäßigen Arbeitsstätte tätig sind.
Diese grundsätzliche Regelung gilt jedoch ausdrücklich nicht, wenn ein Arbeitnehmer, hier ein Postbeamter, unter Wahrung seines beamtenrechtlichen Status vorübergehend am bisherigen Tätigkeitsort einem privatrechtlich organisierten Tochterunternehmen (hier der Deutschen Telekom AG) zugewiesen wird. Im konkreten Fall wurde der Arbeitnehmer bei der ehemaligen Deutschen Bundespost unter Beibehaltung seines bisherigen Beamtenstatus ausgegliedert und bei der Deutschen Telekom AG als privatrechtlichem Nachfolgeunternehmen beschäftigt. In diesem Zusammenhang blieben das Aufgabengebiet des Arbeitnehmers und die Tätigkeitsstätte örtlich unverändert.
Der Arbeitnehmer wurde auch nach Zuweisung einer Tätigkeit zu einem anderen Arbeitgeber weiterhin ohne tatsächlichen Wechsel des Tätigkeitsorts an seiner bisherigen regelmäßigen Arbeitsstätte beschäftigt. Die arbeits- und dienstrechtlichen Beziehungen zum bisherigen Arbeitgeber wurden im hier vorliegenden Fall weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht beendet. Der Bundesfinanzhof stützte sich auf den materiellen Aspekt des Fortbestandes der Rechtsbeziehungen zum Dienstherrn als eigentlichen Arbeitgeber. Daher ist dieser (Sonder-) Fall nicht mit sogenannten Outsourcing-Fällen vergleichbar.
Der Arbeitnehmer konnte sich auf die Beibehaltung der bisherigen Tätigkeitsstätte einrichten. Die alleinige Zuweisung zu einem anderen Arbeitgeber ohne Ortswechsel begründet nach Überzeugung des Gerichts keine Auswärtstätigkeit.
Daher ist die Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen. Reisekostengrundsätze kommen entsprechend nicht zur Anwendung.
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer und seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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