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Neue Rechtsprechung zur 110 Euro-Freigrenze bei Betriebsveranstaltungen

09.04.2013  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers stellt bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung eine große Herausforderung dar.

In der lohnsteuerlichen Praxis lässt sich häufig nicht klar und einwandfrei abgrenzen, ob das Interesse des Arbeitgebers überwiegt oder ob der Entlohnungscharakter im Vordergrund steht. Diese Problematik wird ganz besonders am Beispiel von Betriebsveranstaltungen deutlich.

Zuwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers oder Arbeitslohn

Bei Betriebsveranstaltungen kann es sich sowohl um Zuwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers als auch um lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn handeln.

Übliche und unübliche Betriebsveranstaltung

Eine Zuwendung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt regelmäßig immer dann vor, wenn es sich um eine übliche Betriebsveranstaltung handelt. Steuerpflichtiger Arbeitslohn liegt dagegen vor, wenn eine unübliche Betriebsveranstaltung vorliegt. In diesem Fall wird das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers durch den Arbeitslohncharakter der Veranstaltung überlagert.

Abgrenzungskriterien

Abgrenzungskriterien für übliche und unübliche Betriebsveranstaltung sind nach Maßgabe von R 19.5 LStR die Häufigkeit und die besondere Ausgestaltung.

Eine übliche Betriebsveranstaltung liegt immer dann vor, wenn der Arbeitgeber Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern. Voraussetzung hierbei ist, dass die Zuwendungen der gesamten Belegschaft und nicht nur einem Teil angeboten werden. Darüber hinaus müssen die Zuwendungen unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie der Stellung und Leistung im Betrieb gewährt werden. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, besteht kein Zusammenhang mit einer Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer.

Abgrenzungskriterien

Eine übliche Betriebsveranstaltung liegt immer dann vor, wenn nicht mehr als zwei Veranstaltungen jährlich stattfinden und die Aufwendungen die vom Bundesfinanzhof festgelegte Freigrenze in Höhe von 110 Euro pro Arbeitnehmer nicht übersteigen. Die anteiligen Aufwendungen für Familienangehörige des Arbeitnehmers, die an der Betriebsveranstaltung teilnehmen, sind dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurechnen.

Wenn die anteiligen Aufwendungen die 110 Euro-Freigrenze übersteigen, handelt es sich in voller Höhe, also nicht nur in Höhe des übersteigenden Betrags, um eine unübliche Betriebsveranstaltung und damit um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Zur lohnsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört auch die Umsatzsteuer.

BFH-Urteil vom 12.12.12

Der Bundesfinanzhof hatte sich jüngst mit der Frage auseinanderzusetzen müssen, ob die in den Lohnsteuerrichtlinien festgeschriebene Freigrenze von 110 Euro der Höhe nach rechtmäßig ist. Ein Arbeitgeber veranstaltete regelmäßig ein Sommerfest und eine Weihnachtsfeier. Die Kosten beliefen sich je Teilnehmer auf durchschnittlich 175 Euro. Daher behandelte das Finanzamt die Zuwendungen als unübliche Betriebsveranstaltung und versteuerte die Aufwendungen im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung nach. Der Arbeitgeber bemängelte, dass die 110 Euro-Freigrenze seit dem Zeitpunkt ihrer erstmaligen Anwendung 1993 nicht angepasst wurde, obwohl sich der Lebenshaltungskostenindex seit diesem Zeitpunkt um ca. 30 % erhöht hat. Weder das Finanzgericht noch der Bundesfinanzhof konnten die Bedenken des Arbeitgebers teilen.

Mit Urteil vom 12.12.12, VI R 79/10 stellte der Bundesfinanzhof klar, dass die Aufwendungen eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung bei Überschreiten der 110 Euro-Freigrenze in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten sind. Der Bundesfinanzhof machte in seinem Urteil deutlich, dass eine Anpassung der Freigrenze an die Geldentwertung Aufgabe der Finanzverwaltung und nicht Aufgabe des Bundesfinanzhofs sei. Er führte jedoch aus, dass die Finanzverwaltung erwägen sollte, die 110 Euro-Freigrenze auf der Grundlage von Erfahrungswerten neu zu bemessen.

Arbeitslohn liegt nach gefestigter Rechtsprechung nur dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers zwar bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse verfolgt. Dagegen können geldwerte Vorteile, die den Arbeitnehmern bei Betriebsveranstaltungen zufließen, als Gegenleistung des Arbeitgebers für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers angesehen werden, wenn die Betriebsveranstaltung lediglich zum Anlass genommen wird, die Arbeitnehmer zusätzlich zu entlohnen. Dies ist stets der Fall, wenn die typisierte 110 Euro-Freigrenze überschritten wird. Dabei dürfen Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die die Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert werden und daher nicht als Arbeitslohn anzusehen sind, auch nicht mit in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Das gilt auch für Aufwendungen, die nicht direkt der Betriebsveranstaltung zuzuordnen sind (z.B. Kosten der Buchhaltung oder Aufwendungen für die Beschäftigung eines Event-Managers). Individualisierbare Leistungen, also Aufwendungen, die unmittelbar einem bestimmten Arbeitnehmer zuzurechnen sind, sind stets gesondert zu erfassen.

Der Autor:

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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