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Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte – Fortsetzung

21.09.2011  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Lesen Sie hier den dritten und letzten Teil der praxisnahen Erläuterung Ihres Experten Volker Hartmann.

Zum Nachlesen: Teil 1 und Teil 2

Mit den drei neuen Urteilen zur regelmäßigen Arbeitsstätte (vgl. BFH-Urteile vom 09.06.11, VI R 36/10, VI R 58/09 und VI R 55/10) hat der Bundesfinanzhof bei der Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte neue Maßstäbe gesetzt. Im den letzten beiden Beiträgen haben wir Ihnen das erste und das zweite von drei BFH-Urteilen präsentiert. An dieser Stelle werden wir Ihnen das dritte Urteil und die Auswirkungen auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung präsentieren.

3. BFH-Urteil vom 09.06.11, VI R 55/10

Im dritten streitigen Sachverhalt hat ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer als Geschäftsführer einer GmbH einen Dienstwagen überlassen. Der Arbeitnehmer hat von seiner Lebensgefährtin in deren Wohnhaus eine Wohnung angemietet. Der Arbeitgeber hat darüber hinaus einen Kellerraum im Anbau dieses Wohnhauses angemietet und dem Arbeitnehmer für berufliche Zwecke zur Verfügung gestellt. Der Kellerraum, der einen separaten Zugang hatte, diente ausschließlich der Unterbringung einer EDV-Anlage, die dem Arbeitgeber gehörte. Der Arbeitnehmer führte in diesem Raum Wartungs- und Optimierungsarbeiten durch.

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Der Arbeitgeber qualifizierte den angemieteten Kellerraum als Betriebstätte und behandelte die Fahrten zwischen dieser Betriebstätte und einer anderen Betriebstätte des Arbeitgebers als Fahrten zwischen mehreren regelmäßigen Arbeitsstätten und damit nicht als Arbeitslohn. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat das Finanzamt jedoch die Auffassung, es handele sich um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und versteuerte einen entsprechenden geldwerter Vorteil im Rahmen der Dienstwagenbesteuerung.

Häusliches Arbeitszimmer als regelmäßige Arbeitsstätte

Die Behandlung eines häuslichen Arbeitszimmer als regelmäßige Arbeitsstätte ist rechtlich nicht unumstritten. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sind Räume, die sich in unmittelbarer Nähe zur Wohnung des Steuerpflichtigen befinden, von den übrigen Räumen der Wohnung nicht getrennt sind und keine in sich geschlossene Einheit bilden, nicht als Betriebstätte des Arbeitgebers anzusehen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber diese Räume dem Arbeitnehmer überlässt und der Arbeitnehmer diese beruflich nutzt. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs löst die berufliche Nutzung der Räume nicht deren Einbindung in die private Sphäre und lässt den privaten Charakter der Wohnung insgesamt unberührt. In diesem Zusammenhang beruft sich der Bundesfinanzhof auf die bisher in dieser Angelegenheit gesprochenen Urteile (vgl. BFH vom 16.02.94, XI R 52/91, vom 31.07.96, XI R 5/95, vom 06.07.05, XI R 47/04, vom 12.01.06, VI B 61/05).

Dabei müssen stets die konkreten Umstände des Einzelfalles einer Gesamtwürdigung unterzogen werden. Im hier streitigen Sachverhalt ist zunächst nicht klar, ob und in welchem Umfang sich der vom Arbeitgeber angemietete Kellerraum in der häuslichen Sphäre des Arbeitnehmers befindet. In diesem Zusammenhang ist im Nachgang zu klären, wie stark die räumliche Trennung zwischen Wohnhaus und betrieblicher Einrichtung des Arbeitgebers ausgeprägt ist und ob der Arbeitnehmer seine häusliche Sphäre verlassen muss, um in den streitigen, nicht direkt vom Wohnhaus aus zugänglichen Kellerraum zu gelangen. Nur dann, wenn dieser Kellerraum nicht in die häusliche Sphäre des Arbeitnehmers einzubeziehen ist, kann es sich um eine Betriebstätte des Arbeitgebers handeln. Im nächsten Schritt wäre dann zu klären, in welcher der beiden Betriebstätten der wesentliche Teil der Arbeitsleistung erbracht wird, also in welcher Tätigkeitsstätte der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers liegt und welche dieser Tätigkeitsstätten damit als regelmäßige Arbeitsstätte gilt. Darüber hinaus ist festzustellen, ob und welcher betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers der Arbeitnehmer zugeordnet ist und welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt und welches Gewicht dieser Tätigkeit jeweils zukommt.

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Auswirkungen für die Praxis

Insbesondere das erste besprochene Urteil betrifft nicht unmittelbar die Lohn- und Gehaltsabrechnung, sondern den Werbungskostenabzug im Rahmen der persönlichen Einkommensteuererklärung des Arbeitnehmers. Damit hat der Arbeitgeber grundsätzlich nichts zu tun.

Auswirkungen für die Lohn- und Gehaltsabrechnung ergeben sich jedoch dann, wenn ein Arbeitgeber vermeintlich von einer Auswärtstätigkeit und nicht von einer Tätigkeit an einer regelmäßigen Arbeitsstätte ausgeht und seinen Arbeitnehmern deshalb steuerfreie Reisekostenerstattungen gewährt. Wenn der jeweilige Tätigkeitsort des Arbeitnehmers als regelmäßige Arbeitsstätte zu qualifizieren ist, liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der gewährten Reisekostenvergütungen nicht vor. Im Falle einer Lohnsteueraußenprüfung besteht das latente Risiko, dass das Betriebstättenfinanzamt die vom Arbeitgeber gewährten steuerfreien Reisekostenvergütungen in lohnsteuer- und beitragspflichtigen Arbeitslohn umqualifiziert. Entsprechende Steuer- und Beitragsnachforderungen sind die Folge. Darüber hinaus ist im Rahmen der Dienstwagenbesteuerung ein - unter Umständen sehr kostspieliger - geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer nicht an einer auswärtigen Tätigkeitsstätte im Rahmen einer Auswärtstätigkeit tätig wird, sondern an einer regelmäßigen Arbeitsstätte.

Außendienstmitarbeiter

Auf der anderen Seite gebietet die neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema unbedingt zu überprüfen, ob insbesondere Außendienstmitarbeiter eine regelmäßige Arbeitsstätte am Betriebssitz ihres Arbeitgebers haben. Hier wurde in der Praxis im Einzelfall vielleicht zu Unrecht ein geldwerter Vorteil versteuert. Dies macht für die Zukunft eine Umstellung und für die Vergangenheit eine Korrektur erforderlich.

Arbeitnehmer mit mehreren Tätigkeitsstätten

Darüber hinaus gilt besonderes Augenmerk denjenigen Arbeitnehmern, die für ihren Arbeitgeber nebeneinander an mehreren Orten gleichzeitig tätig sind. Hier ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und stets einzelfallbezogen darzulegen, welche Schwerpunkte der individuellen beruflichen Tätigkeit an den jeweiligen Tätigkeitsstätten erbracht werden und ggf. eine, nicht mehrere, regelmäßige Arbeitsstätte festzulegen.

Hier wurden in der Praxis im Einzelfall vielleicht zu Unrecht mehrere regelmäßige Arbeitsstätten angenommen und zu Unrecht geldwerte Vorteile versteuert. Auch dies macht für die Zukunft eine Umstellung und für die Vergangenheit eine Korrektur erforderlich.

Warum ist das deutsche Steuerrecht eigentlich so kompliziert?
Weil wir es so kompliziert machen.


Diplom-Finanzwirt (FH) Volker Hartmann, Hamburg

Der Autor:

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer und seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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