02.10.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V..
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 20. September 2012 zum Aktenzeichen 6 AZR 155/11 abschließend über die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin entschieden, die sich auf den Standpunkt gestellt hatte, dass die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses bereits deshalb rechtsunwirksam sei, weil der im Betrieb des beklagten Unternehmens bestehende Betriebsrat nicht formwirksam über die Massenentlassung unterrichtet worden sei, deren Bestandteil ihre Kündigung war.
Beabsichtigt ein Arbeitgeber, eine Massenentlassung vorzunehmen, so hat er den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schriftlich unter anderem über die Gründe für die geplanten Entlassungen zu unterrichten. In dem vom BAG entschiedenen Fall wurde bei der Unterrichtung des Betriebsrats nicht die Schriftform des § 126 BGB (eigenhändige Namensunterschrift des Ausstellers des Schriftstücks bzw. notariell beglaubigtes Handzeichen) gewahrt. Mit dem Betriebsrat wurde aber ein Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen. In diesem Interessenausgleich erklärte der Betriebsrat abschließend, er sei umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet worden. Dies erachtet das BAG als ausreichend.
Ein etwaiger Schriftformmangel der Unterrichtung über eine geplante Massenentlassung wird durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Interessenausgleich geheilt. Dafür spricht – so das BAG in der vorerwähnten Entscheidung – der Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Dieser besteht darin, dass der Betriebsrat konstruktive Vorschläge unterbreiten können soll, um eine Massenentlassung zu verhindern oder die Zahl der zu kündigenden Mitarbeiter einzuschränken. Diesem Zweck wird nach Auffassung des BAG genügt, wenn der Betriebsrat aufgrund schriftlich fixierter Angaben des Arbeitgebers zu den geplanten Entlassungen eine abschließende Stellungnahme abgibt (allein mündlich getroffene Vereinbarungen reichen also keinesfalls aus). Das BAG hat damit die Entscheidungen der Vorinstanzen (Arbeitsgericht Paderborn; Landesarbeitsgericht Hamm) bestätigt.
Hat ein Arbeitgeber Kündigungen ausgesprochen, ohne die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassung ordnungsgemäß gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen, sind die Kündigungen nach § 134 BGB nichtig. Die Anzeige muss erfolgen, bevor die jeweilige Kündigung des individuell betroffenen Mitarbeiters ausgesprochen wird. Eine Heilung durch eine Anzeige gegenüber der Arbeitsagentur nach Kündigungsausspruch ist nicht möglich.
Beteiligt der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht, nicht rechtzeitig oder fehlerhaft, so kann er die Massenentlassung grundsätzlich nicht wirksam anzeigen und folglich ebenfalls nicht rechtswirksam kündigen. Arbeitgebern ist daher anzuraten, auf die Anzeige und die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 KSchG größte Sorgfalt zu verwenden. Das vorliegende Urteil des BAG kann aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls keinesfalls als "Freifahrtschein" gewertet werden, um sich in diesem Bereich Nachlässigkeiten zu erlauben.
Arbeitnehmer wissen bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht, ob die Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Das gilt insbesondere für die Beachtung der Formalien, aber auch für den Kündigungsgrund an sich. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen von Massenentlassungen, selbst wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste zwischen den Betriebspartnern abgeschlossen wurde. Arbeitnehmer sind demgemäß regelmäßig geradezu gezwungen, fristgerecht eine Kündigungsschutzklage zu erheben, um im Laufe des Rechtsstreits abklären zu lassen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist.
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