13.02.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Eine betriebsbedingte Kündigung ist – sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet – unwirksam, wenn der betroffene Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers weiterbeschäftigt werden könnte. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht wird dagegen lediglich in Ausnahmefällen angenommen.
In dem vom BAG zu entscheidenden Fall ging es um die Klage einer Arbeitnehmerin gegen zwei ordentliche, betriebsbedingte Kündigungen des beklagten Insolvenzverwalters. Die Schuldnerin (die zuletzt unter D GmbH & Co. KG firmierte) unterhielt 311 Verkaufsstandorte, darunter Filialen mit einer kleineren Verkaufsfläche ("Minis") und Verkaufshäuser mit einer größeren Verkaufsfläche ("Traditionals"). Die Klägerin war bei der Schuldnerin als Mitarbeiterin im Verkauf in einem der Minis tätig. Im Arbeitsvertrag ist auf der Arbeitgeberseite neben der Schuldnerin "Ld-Nr. 6 B" genannt. Hierbei handelte es sich um einen Mini.
AnzeigeDes Weiteren verpflichtete sich die Klägerin im Arbeitsvertrag dazu, "vertretungsweise auch in anderen W-Läden zu arbeiten." Nachdem über das Vermögen der Schuldnerin am 01.07.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, stellte dieser spätestens zum 31.08.2009 den Verkauf in der Filiale in B ein und schloss diese. Die Filialen, die nicht von der neu gegründeten D W GmbH oder von anderen Unternehmen übernommen wurden, schloss der Beklagte ebenfalls. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 06.04.2010 zum 31.07.2010 sowie mit Schreiben vom 14.05.2010 zum 31.08.2010. Gegen diese beiden Kündigungen wehrt sich die Klägerin. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Erstmals in der Revisionsinstanz beruft sich die Klägerin unter anderem auf eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern.
Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Instanzgerichte. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung vom 06.04.2010 zum 31.07.2010 beendet.
Die Klägerin konnte nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten weiterbeschäftigt werden. Sie hat nicht behauptet, der Beklagte habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch Minis oder andere Filialen betrieben, in denen freie Arbeitsplätze vorhanden gewesen seien.
Das BAG nahm auch keine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht an. Eine solche bestand nicht bei der neu gegründeten D W GmbH, da der Beklagte mit dieser keinen Gemeinschaftsbetrieb führte. Abgesehen davon, dass die Klägerin schon gar nicht behauptet hat, die Schuldnerin oder der Beklagte und die D W GmbH hätten einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet, so wäre ein solcher aufgrund der Stilllegung der Minis im Jahr 2009 jedenfalls aufgelöst worden.
Die Klägerin hätte auch nicht bei einem anderen Konzernunternehmen weiterbeschäftigt werden müssen. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in dem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Vertragspartner des Arbeitnehmers das vertragsschließende Unternehmen ist. Die Weiterbeschäftigung durch ein anderes Unternehmen führt zwangsläufig zu einem Vertragspartnerwechsel. Allerdings kann nach dem BAG eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht ausnahmsweise bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder sich eine Unterbringungsverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt.
Weitere Voraussetzung einer unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungspflicht ist ein bestimmender Einfluss des vertragsschließenden Unternehmens auf die "Versetzung". Beruft sich ein Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, so muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt.
Einen solchen Ausnahmefall nahm das BAG hier nicht an. Im zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin bereits nicht dargelegt, dass die D W GmbH und die Schuldnerin oder der beklagte Insolvenzverwalter einen Konzern bildeten. Des Weiteren hatte sie auch keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht keine konzernweite Versetzungsmöglichkeit vor. Die Regelung, dass die Klägerin verpflichtet sei, vertretungsweise auch in anderen W-Läden zu arbeiten, bezieht sich nur auf Filialen der Schuldnerin bzw. später des Beklagten und lediglich auf einen vertretungsweisen und somit keinen dauerhaften Einsatz.
Ferner hat die Klägerin nicht behauptet, es sei üblich gewesen, dass die Schuldnerin oder der Beklagte sie entsandt hätten, um in anderen Konzernunternehmen zu arbeiten. Es ist auch nicht ersichtlich, wie der beklagte Insolvenzverwalter auf die "Versetzung" der Klägerin zur D W GmbH einen bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können. Ein früherer bestimmender gesellschaftsrechtlicher Einfluss der Schuldnerin auf dieses Unternehmen wurde von der Klägerin nicht behauptet.
Damit hat das BAG erneut klargestellt, dass nur ausnahmsweise eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht besteht. Arbeitgeber müssen bei betriebsbedingten Kündigungen somit in der Regel nicht prüfen, ob in einem anderen Konzernunternehmen ein freier Arbeitsplatz für den zu kündigenden Arbeitnehmer zur Verfügung stünde. Allerdings ist es ratsam immer die vom BAG aufgezählten Ausnahmefälle im Hinterkopf zu behalten und diese bereits vorab bei der Gestaltung arbeitsvertraglicher Regelungen zu berücksichtigen, beispielsweise bei der Frage, ob die Regelung einer Konzernversetzungsklausel im Arbeitsvertrag sinnvoll ist.
Als wichtige Ausnahme, wann eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht in Betracht kommt, ist das Bestehen eines gemeinsamen Betriebs zu beachten.
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