31.07.2022 — Moira Frank. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Täglich beanspruchen wir unsere Körper. Krankheit, Unfälle, aber auch Sport, Alter und Genetik beeinflussen, wie stark wir sie verschleißen – und ob wir womöglich einmal Gelenk-, Zahn- oder Organersatz brauchen. All das herzustellen und einzusetzen ist natürlich gar nicht so einfach und auch nicht ungefährlich. Die Vorteile des 3D-Drucks liegen hier nah: Prothesen und Implantate lassen sich im Drucker sehr viel leichter erstellen, als wenn man Abdrücke fertigen, diese ausgießen und den Guss nachbearbeiten muss.
Doch sind diese Lösungen auch alltagstauglich? Wir haben uns einmal angeschaut, was medizinisch schon möglich ist und was in Zukunft hoffentlich unsere Leben erleichtert.
Maßgefertigte Prothesen waren lange extrem teuer und aufwändig zu erstellen. Daher wird meist bei der Operation ein aus den Standardgrößen gewähltes Kniegelenk angepasst. Das führt aber manchmal dazu, dass eine Prothese am Ende nicht richtig passt. Rund 20 % aller Betroffenen sind nach der OP unzufrieden mit der Standard-Prothese.
Hier verspricht der 3D-Drucker Abhilfe. Er druckt basierend auf einer digitalen 3D-Rekonstruktion des Kniegelenks Prothesen nach Maß und liefert sogar individuelle Schnittschablonen mit. Patient*innen, deren Gelenke nur teils von Arthrose betroffen sind, bekommen mit diesem Verfahren nur eine Teil- statt eine Vollprothese eingebaut. So bleiben mehr Knochen und Bänder erhalten, das Knie fühlt sich nach der Operation natürlicher an. Auch die Genesung gelingt schneller.
Maßgefertigte 3D-Knie werden zwar schon seit über 15 Jahren eingesetzt, aber das reicht noch nicht für Langzeitstudien. Immerhin wird das 3D-Drucker-Knie bei entsprechender Diagnose inzwischen von den meisten Krankenkassen bezahlt.
Wer schon einmal Zahnersatz, eine Schiene oder eine Spange gebraucht hat, der hat wohl auch schon mal Bekanntschaft mit dem Gebissabdruck gemacht: Mittels einer mit plastischer Masse bestrichenen Form wird ein Negativabdruck von Zähnen oder Kiefer erstellt. Viele beschreiben das als höchst unangenehm, gerade Angstpatient*innen fürchten den Löffelabdruck. Abhilfe schaffen kann der sogenannte digitale Zahnabdruck. Mit einem mit Kamera und Sensoren ausgestatteten Intra-Oral-Scanner können Zahnärzt*innen ein hochpräzises dreidimensionales Modell des Gebisses erstellen, das vom Scanner direkt an den Bildschirm gesendet wird. Dabei wird die Zahnmasse geschont, auch das lästige Warten auf das Abhärten des Abdrucks entfällt, sodass Patient*innen oft weniger Zeit auf dem Stuhl verbringen können. Bei Bedarf können auch einzelne Gebissabschnitte noch einmal nachgescannt werden. Die Ergebnisse landen elektronisch beim Labor, das sich viel schneller als gewöhnlich an die Arbeit machen kann.
Im Labor hört der Fortschritt natürlich nicht auf – denn wo seit Jahrzehnten mit Gipsvorlagen, Gussformen und der Fräsmaschine gearbeitet wird und Meister*innen am Ende selbst Hand anlegen müssen, um die Prothese exakt auf ein Gebiss abzustimmen, wird immer öfter der 3D-Drucker angeworfen. Der erstellt auch kleine Zähne und filigrane Strukturen, die für die handgeführte Fräse eine schweißtreibende Herausforderung sind, mit maximaler computergesteuerter Präzision. Der Material- und damit Zeitaufwand von Gips- und Gussvorlagen ist zudem viel höher als der eines 3D-Drucks. Expert*innen schätzen, dass ein 3D-gefertigter Zahnersatz etwa zehnmal so schnell fertig ist wie ein herkömmlich gefertigter. Damit dürfte Zahnersatz zukünftig erschwinglicher werden. Die schlechte Nachricht: Wie so oft wird das noch ein wenig dauern, da die Prozesse noch lang nicht standardisiert sind und auch die Technik noch im Reifen.
Vier Herzklappen sorgen dafür, dass unser Blut im Körper in die richtige Richtung fließt. Die sogenannten Herzklappenfehler kommen relativ häufig und aus den verschiedensten Gründen vor. Nicht immer müssen sie operiert werden, doch wenn die Beschädigung groß und gefährlich ist, wird zu einer OP geraten, bei der entweder eine Klappenrekonstruktion durchgeführt oder ein Klappenersatz eingesetzt wird. Ein solcher Ersatz entstammt entweder einer Organspende oder tierischem Gewebe oder wird aus Metall und Kunststoff hergestellt. Aber die Struktur der menschlichen Herzklappe ist nur schwer nachzuahmen: Die Aorta hat bei jedem Menschen eine andere Form, während Ersatzklappen rund sind. Entsprechend müssen Klappen nach einigen Jahren ersetzt werden.
Kürzlich präsentierte ein Forschungsteam der Technischen Universität München, das gemeinsam mit Kolleg*innen von der University of Western Australia arbeitet, maßgeschneiderte, mitwachsende Herzklappen, die im 3D-Drucker nach dem Verfahren Melt Electrowriting hergestellt werden. Sie sollen deutlich länger halten und bestehen aus Polycaprolacton, das biologisch abbaubar ist und den Körper anregen soll, eigene Zellen auf der eingesetzten Herzklappe anzusiedeln und somit neues Gewebe zu bilden. So können Klappen schon bei jungen Menschen mitwachsen, statt immer wieder ausgetauscht werden zu müssen. Das Team arbeitet derzeit darauf hin, das neue Verfahren klinisch einsetzbar zu machen.
Bild: rawpixel.com (Pexels, Pexels Lizenz)
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