Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Kein Arbeitsverhältnis mit Entleiher bei nicht nur vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung

07.11.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Das LAG Berlin-Brandenburg entschied über die Frage, ob bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher zustande kommt. Und das LAG Niedersachsen, ob der Betriebsrat des Entleihers die dauerhafte Hereinnahme von Leihkräften blockieren kann.

Einleitung

Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, bedürfen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der Erlaubnis. Nach dem zum 01.12.2011 neu eingefügten § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend. Im Gesetz ist nicht näher geregelt, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen im Falle nicht nur vorübergehender Leiharbeit eintreten sollen.

Über die Bedeutung der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sowie ihre Rechtsfolgen besteht seit der Umsetzung dieser Gesetzesänderung Unklarheit. In der Literatur wird vielfach vertreten, der Gesetzgeber habe mit diesem Einschub das sog. Synchronisationsverbot (d.h. der Leiharbeitsvertrag muss für eine längere Zeit abgeschlossen werden als die konkrete Überlassung) erneut eingeführt. Die Gesetzesbegründung hält sich insofern bedeckt als sie lediglich darauf verweist, der neu geregelte § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG diene "der Klarstellung, dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung dieser europarechtlichen Vorgabe (Art. 3 Abs. 1 lit. e der Leiharbeitsrichtlinie) entspricht." Das AÜG regele "ein auf vorübergehende Überlassungen angelegtes Modell der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Überlassung an den jeweiligen Entleiher im Verhältnis zum Arbeitsvertragsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vorübergehend ist."

In der Rechtsprechung wurde bislang nicht darüber entschieden, innerhalb welches Zeitraums eine Arbeitnehmerüberlassung nur "vorübergehend" erfolgt und welche Rechtsfolgen an eine nicht lediglich vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung geknüpft sind. Einigkeit besteht lediglich darin, dass insbes. bei mehrfachem Verstoß gegen das Merkmal "vorübergehend" ggf. die AÜG-Erlaubnis versagt oder widerrufen werden kann.

Für den Fall der Unwirksamkeit eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages (z.B. mangels Verleiherlaubnis) regeln die §§ 9, 10 AÜG die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. In der Literatur wird vielfach vertreten, diese Rechtsfolge auch im Fall einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung anzuwenden.

Sachverhalt

Das Tochterunternehmen einer Krankenhausbetreibergesellschaft betrieb erlaubte Arbeitnehmerüberlassung. Die als Krankenschwester bei der Tochtergesellschaft beschäftigte Klägerin wurde von dieser für die gesamte (bisher über vierjährige) Dauer ihres Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmerin an die Krankenhausbetreibergesellschaft überlassen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass durch diese nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Krankenhausbetreibergesellschaft zustande gekommen sei.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschied, dass selbst im Falle einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt. Die Klägerin konnte deshalb nicht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Krankenhausbetreibergesellschaft geltend machen.

Anzeige Referentin Ann-Charlotte Ebener  
Das BEM und krankheitsbedingte Kündigung
1-tägiges Praxis-Seminar
 
»Ein komplexes Thema wurde durch die Referenten sehr gut verständlich und mit vielen Tipps für die Praxis vermittelt.« Teilnehmerin Nicole Trettner, Hering Bau GmbH & Co. KG

Weitere Informationen und Seminar-Anmeldung »

Referent Markus Hombach

 
Das betriebliche Eingliederungsmanagement in der Praxis
Praktisches Wissen für Disability Manager
 
»Das beste Seminar, das ich bis jetzt besucht habe. Auf die einzelnen Beteiligten abgestimmt mit vielen praktischen Bezügen.« Teilnehmerin Sylvia Weichert, Göbber GmbH

Weitere Informationen und Seminar-Anmeldung »

Das LAG ließ in diesem Zusammenhang offen, ob es sich im der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt um eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung handelte. Jedenfalls sei die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsfolge des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher vom Gesetzgeber für den Fall der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung nicht vorgesehen. Auch könne ein "rechtsmissbräuchliches Strohmanngeschäft" in derartigen Überlassungsfällen jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn das Arbeitsverhältnis wie im vorliegenden Falle vor der am 01.12.2011 erfolgten Änderung des § 1 AÜG abgeschlossen worden sei.

Praxishinweis

Bislang liegt lediglich eine knappe Pressemitteilung der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vor. Begrüßenswert ist die Feststellung des Gerichts, dass der Gesetzgeber an das Bestehen einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung keine arbeitsvertraglichen Rechtsfolgen geknüpft hat und damit die weitreichenden Konsequenzen des § 10 Abs. 1 AÜG, der ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert, keine (analoge) Anwendung finden.

Ausgehend von der knappen Gesetzesbegründung, die in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG insgesamt lediglich eine "Klarstellung" sieht, wonach das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung den europarechtlichen Vorgaben entspreche, ist m.E. mit dem LAG Berlin-Brandenburg davon auszugehen, dass durch das Merkmal der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung lediglich eine Missbrauchskontrolle im konkreten Einzelfall ermöglicht werden soll. Darauf deutet auch die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg hin, dass rechtsmissbräuchliche Strohmanngeschäfte bei nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geschlossenen Arbeitsverträgen grundsätzlich denkbar seien. Allerdings wird es im Einzelfall schwierig sein, zu ermitteln, ob die Arbeitnehmerüberlassung (noch) vorübergehend erfolgte oder nicht.

Eine andere Konsequenz im Falle dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung zog das LAG Niedersachsen in einer aktuellen Entscheidung vom 19.09.2012 (17 TaBV 124/11). Das LAG entschied, dass die ausschließliche und dauerhafte Einstellung von Leihkräften zum Zwecke der Personalkostenreduzierung als "institutioneller Rechtsmissbrauch" anzusehen sei, der ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründe. Ob dies auch bei "nur" dauerhafter (d.h. nicht zusätzlich noch ausschließlicher und damit rechtsmissbräuchlicher) Arbeitnehmerüberlassung gilt, blieb offen, kann allerdings u.E. nicht ausgeschlossen werden.

Da das LAG Berlin-Brandenburg die Revision gegen seine Entscheidung zum Bundesarbeitsgericht zugelassen hat, ist zu erwarten, dass dieses abschließend darüber entscheiden wird, ob und welche Rechtsfolgen an eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu knüpfen sind. Jedenfalls zur Vermeidung von Zustimmungsverweigerungen des Betriebsrats im Vorfeld der Hereinnahme von Leihkräften sollte diese vorsorglich mit einem definierten Endtermin versehen werden. Auch insofern muss die diesbezügliche Entwicklung der Rechtsprechung weiter beobachtet werden.

nach oben
FAQ