30.07.2013 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger deshalb keinen Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres bei seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit bilden darf, weil er die maßgebliche Gewinngrenze überschreitet.
Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr als Arzt selbständige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Für das Streitjahr erklärte er einen Gewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 64.088 €. Hierin enthalten war die Auflösung einer für das Kalenderjahr 2006 gebildeten Ansparabschreibung nach § 7g EStG in Höhe von 89.450 € und ein Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG in Höhe von 10.734 €. Darüber hinaus beantragte er die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrages in Höhe von 122.400 €, der ebenfalls im angegebenen Gewinn berücksichtigt war. Das FA berücksichtigte den beantragten Investitionsabzugsbetrag im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO stehenden Einkommensteuerbescheid 2008 vom 18.02.2010 nicht und führte zur Begründung aus, dass der Gesamtgewinn die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 c EStG in Höhe von 100.000 € überschreite. Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein.Am 23.03.2010 erging ein wegen anderer Punkte nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 2008. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Am 25.03.2010 begründeten die Kläger ihren Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 und führten zur Begründung aus, dass der Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 122.400 € zu gewähren sei, weil der für die Gewinngrenze maßgebliche Gewinn aus selbständiger Arbeit 86.304 € (64.088 - 89.450 – 10.734 + 122.400) betrage, weil nach § 7g Abs. 1 Ziffer 1 EStG weder der Investitionsabzugsbetrag noch seine Auflösung die Gewinngrenze von 100.000 € beeinflusse. Mit Einspruchsentscheidung vom 04.08.2010 wies das FA den Einspruch, soweit er den beantragten Investitionsbetrag in Höhe von 122.400 € betraf, als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass der maßgebliche Gewinn i.S.d. § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 c EStG 186.488 € betrage (64.088 € + 122.400 €). Denn der Gewinn ermittle sich nach den Vorschriften des § 4 Abs. 3 EStG, wobei der Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 122.400 € vorerst den Gewinn nicht mindern dürfe. Dagegen seien aufgelöste Rücklagen in Höhe von 89.450 € und der Gewinnzuschlag nicht mindernd herauszurechnen. Denn der im Gesetzestext genannte Wortlaut „ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags“ beziehe sich nur auf den neu zu bildenden Investitionsabzugsbetrag (hier: 122.400 €). Dagegen gehörten zum nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinn zwingend auch die Auflösung von Rücklagen nach § 7 g Abs. 4 S. 2 EStG a.F. und deren Verzinsung nach § 7 g Abs. 5 EStG a.F.
Die Klage ist begründet (FG Köln vom 10.04.2013, 4 K 2910/10). Die Revision ist zugelassen (VIII R 29/13).
Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 02.11.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Das FA hat es zu Unrecht abgelehnt, einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 122.400 € bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit als Arzt zu berücksichtigten.
Der Investitionsabzugsbetrag kann in der für das Streitjahr geltenden Fassung des EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Gewerbebetrieb, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages, einen Gewinn von nicht mehr als € 100.000 hat.
Der Gewinn ermittelt sich durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG). Ob bei der Ermittlung des für die Gewinngrenze maßgeblichen Gewinns die Auflösung von in früheren Wirtschaftsjahren gebildeten Ansparabschreibungen nebst Gewinnzuschlag als Betriebseinnahme zu berücksichtigen ist, ist umstritten und bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Diesbezüglich haben bislang lediglich für das Streitjahr 2007 das FG Sachsen (Urteil vom 10.11.2011 2 K 1272/11, zitiert nach juris, NZB vom BFH IV B 153/11 nicht dokumentiert als unbegründet abgewiesen) und wohl auch das FG Münster (Urteil vom 17.09.2009 12 V 2521/09 EFG 2010, 30 unter 1. A, Beschwerde vom BFH VIII B 226/09 nicht dokumentiert als unbegründet abgewiesen) eine Berücksichtigung aufzulösender Ansparabschreibungen bei der Ermittlung des maßgeblichen Gewinns bejaht. In der Literatur ist die Frage ebenfalls umstritten.
Gemäß § 7g Abs. 6 EStG a.F., der für Ansparabschreibungen, die in vor dem 18. August 2007 endenden Wirtschaftsjahren gebildet worden waren, anzuwenden war, waren nach dem eindeutigen Wortlaut Ansparabschreibungen bei deren Bildung als Betriebsausgabe und bei deren Auflösung als Betriebseinnahme zu behandeln. Nach dem – insoweit im Vergleich zur bis zum 17. August 2007 gültigen Fassung neuen - Gesetzeswortlaut ist – wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - jedenfalls der neugebildete Investitionsabzugsbetrag nicht zu berücksichtigen.
Der Wortlaut sieht also eine Berücksichtigung aufzulösender Ansparabschreibungen als Betriebseinnahmen nicht mehr ausdrücklich vor. Ob alleine aus dem Umstand, dass zwar für den Investitionsabzugsbetrag, nicht aber für die Auflösung gebildeter Ansparabschreibungen eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, zwingend zu schließen ist, dass aufzulösende Ansparabschreibungen zu berücksichtigen sind, kann demnach nur durch Auslegung ermittelt werden.
Der Senat ist der Auffassung, dass die Auflösung der in 2006 gebildeten Rücklage aus systematischen Erwägungen und nach dem Sinn und Zweck der Norm unberücksichtigt bleiben muss. Denn wenn bei Ermittlung des maßgeblichen Gewinns für die Bildung des Investitionsabzugsbetrages der angesetzte Investitionsabzugsbetrag unberücksichtigt bleibt, muss dies korrespondierend auch für die Auflösung früherer Ansparabschreibungen gelten, um eine vollständige Neutralisierung der auf der steuerlichen Investitionsförderung beruhenden Gewinnkorrekturen zu erreichen. Diesbezüglich kann nach Auffassung des erkennenden Senats für die Ermittlung des maßgeblichen Gewinns für die Gewinngrenze auch nur der reale wirtschaftlich erzielte Gewinn des Kalenderjahres maßgeblich sein, da nur er die wirtschaftliche Leistungskraft eines Steuerpflichtigen widerspiegelt. Zweck der Vorschrift ist es gerade, kleinere und mittlere Betriebe zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, notwendige Anschaffungen durch Stundung von Steuerzahlungen leichter zu finanzieren. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweck wird aber nicht erreicht, wenn der für die Gewinngrenze maßgebliche Gewinn ohne Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Leistungskraft des Betriebes bestimmt würde und insbesondere erheblichen Gestaltungsmöglichkeiten des Steuerpflichtigen unterliegende Umstände zur Versagung oder Gewährung des Investitionsabzugsbetrages führen könnten. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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