27.10.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin).
Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ist regelmäßig Gegenstand politischer Diskussionen. Meist stehen dabei die finanzielle Stabilität des Rentensystems und der Fachkräftemangel im Vordergrund. Die gesundheitlichen Folgen bleiben häufig im Dunkeln. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) weist nun anhand einer Rentenreform aus dem Jahr 1999 nach, dass sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert, wenn die Betroffenen erst später in den Ruhestand gehen können. Das gilt vor allem mit Blick auf psychische Krankheiten wie Stimmungsstörungen, aber auch mit Blick auf körperliche Erkrankungen, beispielsweise Übergewicht und Arthrose.
Konkret haben die DIW-Rentenexpert*innen Mara Barschkett, Johannes Geyer und Peter Haan die Abschaffung der sogenannten Altersrente für Frauen untersucht. Bis 2011 konnten Frauen unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 60 Jahren und Abschlägen in Rente gehen. Frauen der Geburtsjahrgänge ab 1952 hatten diese Option nicht mehr; sie konnten sich in der Regel frühestens mit 63 Jahren verrenten lassen. Auf Basis von Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben die Studienautor*innen den Geburtsjahrgang 1951 – also den letzten, der von der alten Regelung profitieren konnte – und den Jahrgang 1952 unter die Lupe genommen und deren Gesundheit verglichen.
© DIW Berlin
Die Berechnungen ergeben, dass stressbedingte Krankheiten bei 60 bis 62 Jahre alten Frauen des Jahrgangs 1952 im Vergleich zum durchschnittlichen Vorkommen im Jahrgang 1951 um 0,8 Prozentpunkte auf rund 23 Prozent gestiegen sind. Die Häufigkeit von Stimmungsstörungen hat im Zuge der Rentenreform sogar um 0,9 Prozentpunkte auf etwa 19,5 Prozent zugenommen. Bei 59-jährigen Frauen waren die Anstiege noch größer, was mit Antizipationseffekten zu erklären ist. In allen Fällen waren die gemessenen Effekte im statistischen Sinne signifikant. „Arbeit ist offenbar insbesondere in höherem Alter mit Stress verbunden und überfordert einen Teil der Beschäftigten“, resümiert Barschkett. Auch im Alter von 63 bis 65 Jahren zeigten sich bei den Rentnerinnen noch negative Gesundheitseffekte, wenngleich weniger stark.
Bei körperlichen Erkrankungen fällt das Bild weniger eindeutig aus und hängt von der speziellen Diagnose ab. Es lässt sich jedoch feststellen, dass sich der Gesundheitszustand durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht verbessert. Für Adipositas (Übergewicht) ergab sich eine deutliche Zunahme von bis zu rund einem Prozentpunkt auf etwa 14,5 Prozent. Grund dafür könnte neben mangelnder Zeit für Sport und gesunde Ernährung auch die festgestellte Zunahme der psychischen Belastungen sein. Auch Arthrose und Rückenbeschwerden traten deutlich häufiger auf, wohingegen die Effekte beispielsweise auf Bluthochdruck und Diabetes nicht statistisch signifikant waren.
Um die gesundheitlichen Folgen eines höheren Renteneintrittsalters abzumildern, sprechen sich die Studienautor*innen unter anderem für präventive Gesundheits- und Bildungsinvestitionen aus. „Wenn die Arbeit die Gesundheit erst in Mitleidenschaft gezogen hat, ist es meist zu spät – zielgerichtete Gesundheitsvorsorge muss bereits in jungen Berufsjahren ansetzen, um die Beschäftigten dauerhaft zu stärken“, empfiehlt Haan. „Dabei geht es auch darum, Berufswechsel zum Ende des Erwerbslebens zu erleichtern, um der körperlichen Verfassung entsprechende Tätigkeiten ausüben zu können. Weiterbildung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Stichwort. Allerdings ist auch die Bereitstellung altersgerechter Arbeitsplätze wichtig“, so Haan. Da es jedoch immer Menschen geben werde, die in höherem Alter nicht mehr arbeiten können, seien darüber hinausgehende Lösungen gefragt, ergänzt Rentenexperte Geyer. „Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters sollte daher mit Reformen und Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente einhergehen.“
Bild: Marcus Aurelius (Pexels, Pexels Lizenz)
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