17.12.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Wenn ein Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt, erhält er als Reaktion hierauf regelmäßig eine Abmahnung von seinem Arbeitgeber. Die Abmahnung hat zum einen den Zweck, dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, dass das beanstandete Verhalten nicht geduldet wird. Zum anderen dokumentiert der Arbeitgeber durch die Abmahnung aber auch den Verstoß, um gegebenenfalls bei einer zukünftigen Kündigung nachweisen zu können, dass die Vertragsverletzung, welche letztlich zur Kündigung geführt hat, nicht zum ersten Mal begangen wurde.
Die Dokumentationsfunktion wurde bislang dadurch abgeschwächt, dass die Rechtsprechung einen Anspruch der Arbeitnehmer annahm, alte Abmahnungen aus der Personalakte entfernen zu lassen. Auch wenn das BAG keine festen "Verfallsdaten" nannte, wurde ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung regelmäßig nach zwei bis drei beanstandungsfreien Jahren angenommen.
Nachdem das BAG in der berühmten "Emmely"-Entscheidung (Az.: 2 AZR 541/09) jedoch plötzlich in der Abwägung entscheidend mitberücksichtigte, dass das Arbeitsverhältnis während der lang andauernden Beschäftigungsdauer immer beanstandungsfrei gewesen sei, wird sich so mancher Arbeitgeber gefragt haben, wie man denn im Ernstfall das Gegenteil beweisen solle, wenn alle Abmahnungen spätestens nach drei Jahren aus der Personalakte entfernt wurden. Insofern sorgt das BAG mit der hier besprochenen Entscheidung für eine Entschärfung der Problematik.
Bei der Klägerin handelte es sich um eine Verwaltungsfachangestellte des beklagten Landkreises, die im Jahre 2008 im Zusammenhang mit der ihr übertragenen Verantwortung für die Zahlstelle eines Planetariums eine Abmahnung erhielt, da das Original-Kassenbuch verschwunden war. Gegen diese Abmahnung setzte sie sich gerichtlich zur Wehr und obsiegte in den beiden ersten Instanzen. Das LAG Thüringen gab der Klage im November 2010 unter anderem deswegen statt, da seit der Abmahnung aus April 2008 kein weiterer Verstoß vorgekommen sei, sodass die streitgegenständliche Abmahnung schon aufgrund des Zeitablaufs aus der Personalakte zu entfernen sei.
Diesem Ansatz hat das BAG eine klare Absage erteilt. Zwar konnte das BAG in der Sache keine Entscheidung treffen und hat das Verfahren ans LAG zurückverwiesen, gleichwohl hat es deutlich gemacht, dass Zeitablauf allein nicht ausreichend ist, um die Entfernung einer Abmahnung zu verlangen.
Das BAG stellt klar, dass eine Abmahnung durch Zeitablauf zwar ihre "Warnfunktion" verlieren könne, dass aber das "Dokumentationsinteresse" des Arbeitgebers grundsätzlich erst dann entfalle, wenn das durch die Abmahnung gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sei. Dies sei dann nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung – etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung – von Bedeutung sein kann.
Nicht zuletzt wegen des "Vertrauenskapitals", auf das sich langjährig Beschäftigte im Falle einer Kündigung seit "Emmely" berufen, dürfte die rechtliche Bedeutungslosigkeit einer Abmahnung nahezu niemals eintreten. Es ist somit zu begrüßen, dass das BAG nunmehr klargestellt hat, das Abmahnungen nicht generell nach wenigen Jahren aus der Personalakte entfernt werden müssen. Die rechtliche Bedeutungslosigkeit für das Arbeitsverhältnis, welche nunmehr die Voraussetzung für einen Anspruch auf Entfernung einer rechtmäßigen Abmahnung aus der Personalakte darstellt, dürfte in den seltensten Fällen eintreten.
Solange vom BAG nicht weiter ausdifferenziert wird, in welchen Fällen von einer rechtlichen Bedeutungslosigkeit einer Abmahnung auszugehen ist, sollten im Sinne einer lückenlosen Dokumentation der Arbeitsverhältnisse zunächst alle Abmahnungen in den Personalakten aufbewahrt werden. Dass angesichts der nunmehr herrschenden Rechtslage ein Mitarbeiter auf Entfernung einer Abmahnung klagt, dürfte sehr unwahrscheinlich sein.
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