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Gut Ding will Weile haben!?

05.06.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Darf eine Betriebsrentenzahlung an eine 15-jährige Betriebsmindestzugehörigkeit geknüpft werden – oder sind derartig lange Wartezeiten wegen Diskriminierung unwirksam? - Zum Urteil des BAG vom 12. Februar 2013 – 3 AZR 100/11

I. Einleitung

Betriebsrenten sind ein wichtiger Bestandteil der Altersversorgung. Von zentraler Bedeutung ist die exakte und rechtswirksame Formulierung einer Versorgungszusage: Oftmals entsteht Streit, unter welchen Voraussetzzungen und/oder im welchen Umfang eine Betriebsrente gewährt werden muss. Das Bundesarbeitsgericht ("BAG") ist regelmäßig mit der Auslegung von Versorgungsordnungen befasst – so z.B. mit der Auslegung einer "Betriebsrente ab 65" als "Betriebsrente ab gesetzlichen Rentenalter" (BAG, Urt. v. 15. Mai 2012, 3 AZR 11/10). Dauerbrenner sind Streitigkeiten wegen Diskriminierung, die sich nicht nur bei besonderer Beschäftigungsverhältnisse stellen (zur Teilzeit vgl. BAG, Urt. v. 11. Dezember 2012, 3 AZR 588/10), sondern auch bei der Alters- und Geschlechterdiskriminierung entzünden können. Wird etwa eine Betriebsrente an die Voraussetzung geknüpft, dass der Mitarbeiter dem Unternehmen über eine gewisse Mindestzeit angehören muss ("anspruchsausschließende Wartezeit"), kann ein später eingestellter älterer Mitarbeiter unter Umständen niemals in den Genuss einer Betriebsrente kommen – je nach Erwerbsbiographie. Dieses Problem wird angesichts der Alterspyramide und der statistischen Dauer von Beschäftigungsverhältnissen umso dringlicher, als Wartezeiten oftmals 15 oder sogar 20 Jahre betragen können. Bei derartig langen Wartezeiten werden faktisch Mitarbeiter benachteiligt, die jenseits von 55 Jahren eingestellt werden. Inwieweit 15-jährige Wartezeiten trotzdem rechtmäßig sind, hatte das BAG im Februar 2013 zu entscheiden (BAG, Urt. v. 12. Februar 2013 – 3 AZR 100/11).

II. Sachverhalt

Die seit Juli 1997 beschäftigte Klägerin forderte die Zahlung einer monatlichen Betriebsrente von EUR 1.102,35. Der Arbeitgeber gewährte seinen 90 Mitarbeitern seit Dezember 1999 eine Altersversorgung, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Mitarbeiter dem Unternehmen mindestens 15 Jahre bis zur Erreichung der gesetzlichen Regelaltersgrenze angehören muss. Diese Mindestbetriebszugehörigkeit konnte die Klägerin bis zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsleben im Februar 2008 nicht mehr erreichen – sie war für den Arbeitgeber insgesamt knapp elf Jahre tätig und ging dann in Rente. Der Arbeitgeber teilte ihr diesen Umstand auch von Anfang an mit. Die Klägerin sah in der 15-jährigen Wartefrist einen Verstoß gegen das Verbot der Alters- und Geschlechterdiskriminierung.

III. Entscheidung

Die Klägerin hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Eine 15-jährige Wartezeit ist nach dem BAG weder ein Verstoß gegen die Alters- noch gegen die Geschlechterdiskriminierung. Nach dem Altersdiskriminierungsgesetz können grundsätzlich Altersgrenzen für Betriebsrentenregelungen vorgesehen werden. Dies verstößt – wie das BAG betont – nicht gegen die Gleichbehandlungsrahmen-Richtlinie. Die 15-jährige Wartefrist sei auch mit Blick auf den Versorgungs- und Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung angemessen. Unangemessen wäre eine Wartezeit nur dann, wenn sie so lange wäre, dass letztlich während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können. Hierbei seien insbesondere auch familiär bedingten Unterbrechungen des Erwerbslebens (z.B. Kindererziehungszeiten bei Frauen) zu berücksichtigen. Bei typisierender Betrachtung sei von einem mindestens 40-jährigen Erwerbsleben auszugehen, wobei Frauen regelmäßig vor dem 50. Lebensjahr wieder ins Arbeitsleben zurückkehren. Daher sei eine 15-jährige Wartezeit "noch hinnehmbar". Auch mit Blick auf die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen, wonach Betriebsrentenansprüche in der Regel bereits nach 5-jähriger Betriebszugehörigkeit unverfallbar sind, ergibt sich nichts anderes. Die Unverfallbarkeitsfristen hätten nichts mit der Wartezeit gemeinsam, da die Wartezeit die insoweit vorgelagerte Frage betrifft, ob überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Betriebsrente begründet wurde. Genau darauf konnte die Klägerin aber nicht vertrauen: Die Wartefristen machen gerade deutlich, dass es eine Betriebsrente nur nach mindestens 15-jähriger Betriebszugehörigkeit gibt.

IV. Praxisfolgen

Das BAG stärkt den Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers bei der betrieblichen Altersversorgung und setzt seine Linie fort, dort Altersgrenzen nicht am Antidiskriminierungsgesetz scheitern zu lassen. Die Bestätigung der Zulässigkeit 15-jähriger Wartefristen ist ein begrüßenswerter Gewinn an Rechtssicherheit.

In der Sache wirft die Entscheidung jedoch Fragen auf. Es kann gezweifelt werden, ob die typisierte Betrachtung auf Grundlage eines 40-jährigen Erwerbslebens mit relativ langer konstanter Betriebszugehörigkeit wirklich zeitgemäß ist und branchenübergreifend auf alle Beschäftigungsverhältnisse übertragen werden kann. Das BAG verhält sich auch nicht zur Frage, ob Wartezeiten aus anderen Gründen unwirksam sein könnten – etwa mit Blick auf Kündigungserschwernisse. Zweifel an der Rechtmäßigkeit sind jedenfalls bei 20-jährigen Wartefristen geboten, auch wenn diese vor Inkrafttreten des Antidiskriminierungsgesetzes für zulässig erachtet wurden (BAG, Urt. v. 24. Februar 2004, 3 AZR 5/03). Schließlich muss die Wartezeitregelung eindeutig formuliert sein, damit das ansonsten grundsätzlich bestehende Vertrauen auf Zahlung einer Betriebsrente erschüttert wird. In Arbeitsverträgen sollte wegen der AGB-Kontrolle daher bei der Formulierung besondere Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Die Parole für die Praxis heißt somit auch weiterhin: Vorsicht bei (langen) Wartezeiten!


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