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Geschlechterdiskriminierung und AGG

20.07.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

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Nachfolgend geht es um Probleme möglicher Geschlechterdiskriminierung nach dem AGG bei einer Beförderung. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 28.06.2011 – 3 Sa 917/11) hatte zu entscheiden, welche Anforderungen an die Darlegung der vom Arbeitnehmer darzulegenden Indiztatsachen zu stellen sind. Aus der Entscheidung (und den Hinweisen des BAG hierzu) ergibt sich ein höheres Risiko für Arbeitgeber, künftig auch bei Beförderungen häufiger wegen (angeblicher) Diskriminierung in Anspruch genommen zu werden.

Einleitung

Arbeitnehmern steht ein Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu, wenn sie, z.B. bei einer Beförderung, wegen eines in § 1 AGG benannten Grundes (Rasse, ethnischen Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) benachteiligt wurden. Da der für solche Ansprüche grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtige Arbeitnehmer die echten Beweggründe der Personalentscheidung meist nicht kennt („Beweisnot“), genügt es, dass er vor Gericht Indizien (Hilfstatsachen) darlegt, die auf eine Diskriminierung schließen lassen (§ 22 AGG). Der Arbeitgeber muss dann wiederum belegen, dass seine Entscheidung doch auf rein sachlichen Gründen beruhte. Diskriminierungsprozesse sind daher häufig reine Indizienprozesse. Welche Indizienlage ausreichend ist, um dem Arbeitnehmer die o.g. Beweiserleichterung zu verschaffen und wie Hinweise zu bewerten sind, die für sich genommen keine Diskriminierung nahelegen, sondern erst in der Gesamtschau mit weiteren Umständen, war (nach zweimaliger Revision zum BAG) Gegenstand einer Grundsatz-Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 28.06.2011 – 3 Sa 917/11), von der bislang lediglich die Pressemitteilung vorliegt.

Sachverhalt

Die Arbeitnehmerin war seit April 2002 bei dem Unternehmen (Musikindustrie) beschäftigt. Sie war als „Director Pop“ Abteilungsleiterin neben zwei weiteren männlichen Abteilungsleitern, den Mitarbeitern L und G. Im Herbst 2005 wurde die höherwertige Position eines „Bereichsvorstandes International Marketing“ intern ausgeschrieben, die zuvor von Herrn E besetzt war, der zum Senior Vice President aufstieg. Der Arbeitnehmerin wurde diese Position und Beförderung zuvor konkret in Aussicht gestellt, ohne ihr mitzuteilen, dass neben ihr auch einer ihrer beiden männlichen Abteilungsleiterkollegen hierfür in Betracht gezogen würde. Die Arbeitnehmerin wurde dann schwanger und die Beförderungsposition mit einem ihrer männlichen Abteilungsleiterkollegen besetzt. Über diese Besetzung der Position des Bereichsvorstandes fand danach ein Gespräch zwischen der Arbeitnehmerin und dem Senior Vice President statt. Darin äußerte der Senior Vice President gegenüber der Arbeitnehmerin auf deren Nachfrage, warum sie nicht befördert worden sei, diese „solle sich doch auf ihr Kind freuen“. Sachliche Gründe für die Entscheidung wurden der Arbeitnehmerin trotz Nachfrage nicht genannt. Die Arbeitnehmerin erhob Klage beim Arbeitsgericht Berlin und forderte eine Entschädigung.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat der Klägerin letztlich eine Entschädigung i.H.v. EUR 17.000,- wegen Diskriminierung bei der Beförderung zugesprochen. Nach zweimaliger Revision zum BAG gab das BAG in der letzten Entscheidung (BAG, Urt. v. 27.01.2011 – 8 AZR 483/09) dem LAG gegenüber deutlich vor, dass das Gericht bei einer Diskriminierungsklage eine Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen habe, ob die von der Arbeitnehmerin vorgetragenen Hinweise (Indiztatsachen) in ihrer Zusammenschau gesehen, geeignet seien, die Vermutung einer Diskriminierung zu begründen, auch wenn die Hinweise für sich genommen hierfür ggf. (noch) nicht ausreichten. Aus welchen Bereichen diese Indizien stammen, sei hierfür ebenso nicht von Bedeutung wie der Umstand, dass etwaige problematischen Äußerungen erst nach der Beförderung getroffen wurden. Das LAG hat sich dem nunmehr angeschlossen. Aus der Gesamtschau der Indizien ergebe sich vorliegend die Vermutung, die Arbeitnehmerin sei gerade wegen ihrer Schwangerschaft nicht befördert und damit wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden. Das LAG berücksichtigte dabei, dass der Arbeitgebervertreter im Zusammenhang mit der Ablehnung der Bewerbung geäußert habe, „sie solle sich doch auf ihr Kind freuen“ und der Arbeitnehmerin auf Nachfrage keine konkreten Gründe benannt wurden, warum der männliche Kollege bevorzugt wurde. Relevant sei auch, dass ihr die Position zuvor konkret in Aussicht gestellt wurde und man sich dann doch ohne Begründung gegen sie entschied. Die sich aus diesen Umständen ergebende Vermutung einer Diskriminierung wegen des Geschlechts konnte die Arbeitgeberin nicht widerlegen.

Praxishinweis

Die Ausführungen des LAG (und letztlich auch die Hinweise des BAG) lassen befürchten, dass die Gerichte den Maßstab an die vom Arbeitnehmer darzulegenden Indiztatsachen für eine Diskriminierung weiter senken und insofern auch bei Beförderungen Diskriminierungsklagen übergangener Arbeitnehmer erleichtern wollen. Unbedachte Äußerungen von Vorgesetzten, können sich (auch wenn ggf. gut gemeint) zusammen mit anderen Umständen plötzlich zu einem Diskriminierungsproblem mit erheblichen finanziellen Folgen für den Arbeitgeber (Schadensersatz; Entschädigung) auswachsen. Da der Arbeitgeber vor Gericht ggf. belegen können muss, dass seine Entscheidung rein sachliche motiviert war, ist anzuraten, den Auswahlvorgang sauber zu dokumentieren. Ferner sollten sich Arbeitgeber und Vorgesetzte sehr genau überlegen, welche Äußerungen sie gegenüber einem Arbeitnehmer vor, bei und nach der Ablehnung einer Beförderung machen. Auch feste Zusagen bzw. bereits das konkrete Inaussichtstellen einer Position sollten unterbleiben, wenn sich der Arbeitgeber „die Tür“ für eine abweichende Entscheidung noch „offen halten“ will.

Quelle: Dr. Rajko Herrmann, Taylor Wessing Berlin
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