21.11.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V..
Das Bundesarbeitsgericht hat mit einer weitgehend beachteten Entscheidung vom 14.11.2012 – Az. 5 AZR 886/11 - klargestellt, dass Arbeitgeber von einem Mitarbeiter bereits am ersten Krankheitstag eine AU-Bescheinigung verlangen können.
Diese Entscheidung ist alles andere als eine Revolution, bestätigt sie doch vielmehr die bereits gängige Beratungspraxis.
Jetzt im Herbst beginnt in den Unternehmen und Behörden erfahrungsgemäß die Zeit mit den höchsten krankheitsbedingten Ausfallzeiten bei Mitarbeitern.
Wir beleuchten nachfolgend Sinn und Unsinn verschiedener Möglichkeiten, um der Erkältungswelle im Unternehmen Herr zu werden:
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Arbeitgeber dürfen bereits ab dem ersten Krankheitstag von Ihren Mitarbeitern eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen.
Ob dies der richtige Weg ist, Ausfallzeiten im Unternehmen zu reduzieren, steht jedoch nicht immer von vornherein fest.
Für eine AU-Bescheinigung am ersten Tag spricht, dass Arbeitgeber so sanften Druck auf ihre Mitarbeiter ausüben, damit diese sich ein Krankmelden gut überlegen. Der Hintergrund ist klar: Arbeitgeber wollen vermeiden, dass Mitarbeiter ohne Not zuhause bleiben.
Aus praktischen Gesichtspunkten ist jedoch eine solche Vorgehensweise nicht immer empfehlenswert. Es besteht die Gefahr, dass ein Arbeitnehmer, wenn er erst mal beim Arzt ist, von diesem dann auch gleich für die ganze Woche "aus dem Verkehr gezogen" wird. So besteht das Risiko, dass ein Arbeitnehmer länger im Unternehmen fehlt, als eigentlich nötig. Das Verlangen einer Bescheinigung gleich am ersten Tag würde sich somit als Bumerang erweisen.
Gegen die Ausweitung von Erkältung- und Grippeviren eignen sich die traditionellen Mittel wie
Im Einzelfall kann der Arbeitgeber auch im Wege der Dienstanweisung anordnen, dass die oben genannten Maßnahmen durchgeführt werden. Eine solche Dienstanweisung muss billigem Ermessen entsprechen, also auch die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigen. Unzumutbar wäre z.B., wenn der Arbeitgeber ein Desinfektionsmittel bereitstellt, das allergisch wirkt.
Wenn ein Arbeitnehmer gegen zulässige Weisungen des Arbeitgebers bezüglich Gesundheitsschutzregelungen verstößt, kann dies zu einer Abmahnung führen. Im Wiederholungsfall stellt diese Pflichtverletzung sogar einen Grund zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung dar.
Eine angeordnete Schutzimpfung von Teilen oder der gesamten Belegschaft ist höchstwahrscheinlich unwirksam. Denn die Grippeimpfung stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer dar. Dies hätte zur Folge, dass ein Arbeitnehmer eine solche Anordnung zur Teilnahme an einer empfohlenen Grippeimpfung verweigern darf.
Etwas anderes ist es natürlich, wenn der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis Grippeimpfungen im Betrieb (z.B. durch den Betriebsarzt) anbietet oder die Kosten für eine Grippeimpfung der Mitarbeiter übernehmen würde.
Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, hat dieser bei vielen der oben beschriebenen Maßnahmen mitzubestimmen. Hygienevorschriften- und sonstige Umgangsregeln der Mitarbeiter untereinander stellen sogenannte Ordnungsregeln dar. Diese sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zwingend mitbestimmungspflichtig.
Der Arbeitgeber darf keinesfalls einseitig - ohne Zustimmung des Betriebsrates - irgendwelche Maßnahmen anordnen. Wenn ein Mitarbeiter dann dagegen verstieße, könnte dieser Verstoß nicht geahndet werden.
Kommt eine Einigung mit dem Betriebsrat nicht zu Stande, muss notfalls eine sogenannte Einigungsstelle angerufen werden. Ausnahme: Wenn behördliche Anordnungen oder gesetzliche Bestimmungen im Hygienebereich umgesetzt werden, steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.
In der Praxis behilft sich der betroffene Arbeitgeber häufig dadurch, dass er die ausgefallenen Stunden der erkrankten Mitarbeiter durch Mehrarbeit der gesunden Mitarbeiter ausgleichen lässt. Aber auch hier ist zu beachten, dass die Anordnung von Überstunden zwingend vom Betriebsrat abgesegnet sein muss. Einseitig, ohne den Betriebsrat, angeordnete Überstunden sind gegenüber den Arbeitnehmern unwirksam. Der Mitarbeiter braucht sie nicht zu beachten.
Meinungen unserer PersonalGate-Leser:
»Es sollte immer abgewogen werden, sind in einem Betrieb viele Montags- oder Freitagskranke, halte ich die Krankmeldung vom ersten Tag für sinnvoll. Ansonsten wird sich der Krankenstand (Zeitdauer) erhöhen. Zum Beispiel ein Brech-Durchfall dauert ca. 2 Tage ohne Arzt, mit Arzt 5 Arbeitstage.«
Harri N., 23.11.2012
»Über die Aufregung über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.11.2012 AZ 5 AZR 886/11 bin ich sehr erstaunt. Bereits mit Beschluss vom 25.01.2000 (1 ABR 3/99) hat das Bundesarbeitsgericht Gestaltungsspielräume eingeräumt. Wir haben bereits am 31.07.2000 mit unserem Betriebsrat eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass ab dem 1. AU-Tag ein ärztliche Bescheinigung vorzulegen ist. Die Handlungsweise wird uneingeschränkt akzeptiert und hat sich bewährt.«
Gerhard Albers, 22.11.2012
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