13.11.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: SH C - Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.
„Die Klage eines Neffen über den Steuersatz für die Steuerklasse II hat der Bundesfinanzhof genutzt, um seine grundsätzlichen Bedenken gegen die seit bald vier Jahren geltende Erbschaftsteuerreform vorzubringen“, sagt Diplom-Finanzwirt Matthias Winkler, Steuerberater und Fachberater für internationales Steuerrecht bei der Kanzlei SH+C in Regensburg. Insbesondere die zahlreichen Begünstigungen für Betriebsvermögen sind dem Bundesfinanzhof ein Dorn im Auge. In einem 65 Seiten starken Beschluss hat der Bundesfinanzhof daher dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob hier nicht ein „verfassungswidriger Begünstigungsüberhang“ vorliegt.
Gleich mehrere Argumente hat der Bundesfinanzhof vorgebracht:
„Die vielen Argumente trägt der Bundesfinanzhof nicht etwa vor, weil er zwingend eine höhere Besteuerung von Betriebsvermögen für geboten hält“, erläutert SH+C-Steuerexperte Winkler. Er hält vielmehr das gesamte Erbschaftsteuergesetz für problematisch, weil es zu einer verfassungswidrigen Fehlbesteuerung führen würde. Dies verletze diejenigen Steuerzahler, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung.
Das eigentliche Anliegen des Klägers, nämlich dass für die Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) und die Steuerklasse III (fremde Dritte) die gleichen Steuersätze gelten, hält der Bundesfinanzhof dagegen nicht für verfassungswidrig. Die Richter meinen nämlich, der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Erben der Steuerklasse II besser zu stellen als Erben der Steuerklasse III. Der verfassungsmäßig garantierte Schutz von Ehe und Familie beziehe sich nur auf die Gemeinschaft von Eltern und Kindern, nicht aber auf Familienmitglieder im weiteren Sinn.
„Wie das weitere Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeht, ist schwer vorhersehbar“, meint Steuerberater Winkler. Es ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich, dass das Gericht das komplette Erbschaftsteuergesetz rückwirkend für verfassungswidrig erklärt. Wer trotzdem sicher gehen will, kann gegen den Erbschaftsteuerbescheid Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen. Die Finanzverwaltung wird sicher ohnehin bald alle Bescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen, um eine Flut von Einsprüchen zu vermeiden.
„Sollte das Gericht aber die Bedenken des Bundesfinanzhofs teilen, wird es den Gesetzgeber sicher auffordern, für die Zukunft nachzubessern“, sagt Winkler. Bereits gewährte Vergünstigungen werden rückwirkend auf keinen Fall gestrichen, denn das Gesetz verbietet die Änderung von Steuerbescheiden zum Nachteil der Steuerzahler aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. „Es kann sich aber lohnen, über eine zeitnahe Vermögensübertragung nachzudenken, falls das Bundesverfassungsgericht die Abschaffung von Vergünstigungen für die Zukunft verlangt“, empfiehlt Winkler abschließend.
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