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Drum prüfe, wer sich ewig bindet - zur Zulässigkeit verlängerter Kündigungsfristen

22.08.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In seiner Entscheidung vom 08. Mai 2012 befasst sich das Arbeitsgericht Heilbronn mit der zulässigen Maximaldauer arbeitsvertraglich vereinbarter Kündigungsfristen. Für Unternehmer, die ihre Mitarbeiter durch entsprechende Regelungen an sich binden wollen, ergeben sich aus dem Urteil wertvolle Hinweise.

I. Einleitung

Gemäß § 622 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Kalendermonatsende gekündigt werden. Während Arbeitnehmer nach dem Gesetz für die gesamte Dauer ihres Arbeitsverhältnisses an diese Grundkündigungsfrist gebunden sind, müssen Arbeitgeber die in Abs. 2 der Vorschrift geregelten verlängerten Kündigungsfristen beachten. Diese steigen mit zunehmender Dauer der Betriebszugehörigkeit; so ist nach zwanzigjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Mindestkündigungsfrist von sieben Monaten zum Kalendermonatsende einzuhalten.

Darüber hinaus finden sich im Geltungsbereich von Tarifverträgen vergleichbare Regelungen, die die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen nicht selten überschreiten. Die hiermit vom Gesetzgeber und den Tarifvertragsparteien verfolgte Zielsetzung liegt dabei auf der Hand: Der Arbeitnehmer soll als wirtschaftlich schwächere Vertragspartei vor der abrupten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem damit verbundenen Wegfall seiner Erwerbsquelle geschützt werden. Dass der Arbeitnehmerschutzgedanke in Einzelfällen ins Gegenteil umschlagen kann, zeigt das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn.

II. Sachverhalt

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Der Kläger war seit dem 01. August 2009 als Einkaufsleiter International bei einer europaweiten Handelskette tätig. Das von ihm in seinem Bereich zu verantwortende Einkaufsvolumen betrug mehrere Hundert Millionen Euro. Neben ihm verfügte in diesem Bereich nur ein weiterer Mitarbeiter über Prokura. Der mit dem Kläger geschlossene Arbeitsvertrag enthielt die Bestimmung, dass das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten unter Wahrung einer Kündigungsfrist von 18 Monaten zum Monatsende gekündigt werden kann. Zuvor war der Kläger bei einer ausländischen Tochtergesellschaft des Konzerns beschäftigt und auch dort mit einem vergleichbaren Aufgabenbereich betraut gewesen. Die für ihn maßgebliche vertragliche Kündigungsfrist hatte nur einen Kalendermonat betragen. Mit Schreiben vom 30. August 2011 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Beklagte stellte ihn daraufhin unverzüglich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei, bestand aber auf der Einhaltung der Kündigungsfrist bis Ende Februar 2013. Der Kläger beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht Heilbronn die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt endet. Seine Klage blieb ohne Erfolg.

III. Die Entscheidung

In seiner Urteilsbegründung stellt das Arbeitsgericht Heilbronn auf das Prinzip der Vertragsfreiheit ab. Es sei den Arbeitsvertragsparteien unbenommen, in Formularverträgen längere als die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen zu vereinbaren. Hierin liege ein Schutz des Arbeitnehmers, jedoch keine unangemessene Benachteiligung. Gleichwohl sei bei der Vertragsgestaltung der vom Gesetzgeber akzeptierte Rahmen zu wahren. Dieser bestehe einerseits darin, dass die für den Arbeitnehmer vorgesehene Bindungsfrist die für den Arbeitgeber geltende Frist gemäß § 622 Abs. 6 BGB nicht übersteigen dürfe.

Andererseits dürfe die Länge der Kündigungsfrist nicht im Widerspruch zu gesetzgeberischen Grundgedanken stehen. Dies sei vorliegend nicht der Fall: § 624 BGB sehe die Kündbarkeit eines Lebensarbeitszeitverhältnisses erst nach dem Ablauf von fünf Jahren vor. Ähnliches gelte für die immerhin zweijährige Bindungsfrist bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen, für deren Laufzeit das Recht beider Parteien zur ordentlichen Kündigung oftmals ausgeschlossen sei. Aus dieser Wertung ergebe sich, dass eine 18-monatige vertragliche Kündigungsfrist dem Grunde nach nicht zu beanstanden sei. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Beklagte ein schützenswertes Interesse an der langen Bindung nachgewiesen habe. Dieses Interesse ergebe sich einerseits aus der besonderen Stellung des Klägers als Führungskraft mit einem erheblichen Verantwortungsbereich, andererseits aber auch aus den in diesem Bereich herrschenden betrieblichen Gegebenheiten wie besonders langen Lieferverträgen mit den vom Kläger betreuten Vertragspartnern.

IV. Praxishinweis

Die für den Einkaufsleiter aus der Entscheidung folgenden Konsequenzen sind nicht unerheblich. Die von der Beklagten ausgelöste, weit über anderthalb Jahre andauernde Freistellungsphase, für deren Dauer dem Kläger jegliche Wettbewerbstätigkeit unmöglich ist, wird ohne Zweifel zu einer Veraltung seiner Marktkenntnisse führen. Aus Arbeitgebersicht kann die Vereinbarung langer Kündigungsfristen einem effektiven Schutz vor der kurzfristigen und nahtlosen Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit durch Mitarbeiter dienen.

Die "Schattenseite" verlängerter Kündigungsfristen sollte gleichwohl nicht unbeachtet bleiben: Für die Dauer des Vertrages bleibt die umfassende Vergütungspflicht unabhängig von einer etwaigen Freistellung erhalten; dies gilt auch mit Blick auf sämtliche erfolgsbezogene Gehaltsbestandteile sowie sonstige Leistungen. Hierin können erhebliche finanzielle Belastungen für Unternehmen liegen, die durch den geschaffenen Wettbewerbsschutz wirtschaftlich nicht aufgewogen werden. Sinnvoll ist eine erhebliche Verlängerung gesetzlicher Mindestkündigungsfristen daher wohl nur in Fällen bedeutender Führungskräfte sowie sonstiger Mitarbeiter in Schlüsselfunktionen. Auch mit Blick auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Heilbronn zum Vorliegen eines "besonderen Interesses" ist davon abzuraten, lange Bindungen zum Regelfall der Vertragsgestaltung zu erheben. Für den Normalfall bietet es sich vielmehr an, die für den Arbeitgeber in Ansehung der Betriebszugehörigkeit verlängerten Fristen durch vertragliche Regelung auf den Arbeitnehmer zu erstrecken.

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