04.09.2012 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen überlässt, der auch privat genutzt werden darf, entsteht bekanntlich ein geldwerter Vorteil. Dieser geldwerte Vorteil kann entweder pauschal im Rahmen der 1 % - Regelung oder individuell auf Basis der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse nach der sog. Fahrtenbuchmethode erfasst werden. Aufgrund der nicht unerheblichen lohnsteuerlichen Belastungen wird in zunehmendem Maße - insbesondere von leitenden Angestellten und Geschäftsführern - dargelegt, der Firmenwagen würde nicht privat genutzt. Obwohl ein Firmenwagen ab einer bestimmten Position regelmäßig als Gehaltsbestandteil anzusehen ist, wird gegenüber dem Finanzamt argumentiert, die Privatnutzung des Firmenwagens sei vom Arbeitgeber untersagt worden. Der Firmenwagen dürfe lediglich für betriebliche Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, nicht jedoch zu privaten Zwecken genutzt werden. Ein geldwerter Vorteil wird bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung entsprechend nicht angesetzt.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung kommt es regelmäßig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Unternehmen und dem Finanzamt, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, das Nutzungsverbot zu überwachen. Eine geeignete Maßnahme zur Überwachung des Nutzungsverbots ist die Führung eines Fahrtenbuchs. Dies wird aber häufig nicht geführt.
Das Finanzamt argumentiert in derartigen Fällen regelmäßig mit dem sog. Anscheinsbeweis. Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen überlässt, der auch privat genutzt werden darf, geht das Finanzamt im Rahmen des Anscheinsbeweises davon aus, dass das Fahrzeug auch tatsächlich privat genutzt wird und setzt einen entsprechenden geldwerten an.
Nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 21.04.10 - VI R 46/08 und vom 06.10.11, VI R 56/10) kommt der Anscheinsbeweis nicht zum Tragen, wenn ein Firmenwagen lediglich für dienstliche Zwecke überlassen wird. Der Beweis des ersten Anscheins greift nur, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer tatsächlich einen Firmenwagen zur privaten Nutzung überlässt. Aus der Tatsache, dass ein Firmenwagen lediglich für dienstliche Zwecke überlassen wird, kann nämlich nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass dieser auch privat genutzt wird. Daher darf das Finanzamt entsprechend keinen geldwerten Vorteil für die Privatnutzung ansetzen.
Die neue höchstrichterliche Rechtsprechung wird in der Fachliteratur eher kritisch betrachtet und als praxisfremd bezeichnet. Durch die o.g. Urteile sind dem Gestaltungsmißbrauch Tür und Tor geöffnet. Festzuhalten ist, dass in den Fällen, in denen das Fahrzeug zuhause beim Arbeitnehmer abgestellt ist, dieses sich permanent im Zugriff des Arbeitnehmers befindet und daher - rein theoretisch - jederzeit privat genutzt werden kann. Wenn ein Arbeitgeber ein Nutzungsverbot ausgesprochen hat, ist aus Sicht der Finanzverwaltung die Überwachung dieses Nutzungsverbotes unabdingbar. Ohne Fahrtenbuch ist eine Überprüfung, ob das Nutzungsverbot auch tatsächlich eingehalten worden ist, faktisch nicht möglich. Es ist naheliegend, dass die Finanzverwaltung hier nicht tatenlos zusieht und eingehend prüfen wird, ob das Nutzungsverbot ernsthaft gewollt oder nur zum Schein ausgesprochen worden ist.
Mit Urteil vom 08.02.12, Az. 3 K 406/10, musste sich das Niedersächsische Finanzgericht mit folgendem Sachverhalt auseinandersetzen:
Ein Arbeitgeber „untersagte“ seiner Alleingeschäftsführerin, den ihr zur betrieblichen Nutzung überlassenen Luxussportwagen (Porsche 911, Listenpreis über 80.000 Euro) privat zu nutzen. Das Finanzgericht vertrat in Anlehnung an die o.g. BFH-Urteile die Auffassung, dass der vom Finanzamt angeführte Anscheinsbeweis nicht greife, weil laut Anstellungsvertrag die private Nutzung des Porsches 911 ausdrücklich untersagt worden ist. Daher kann entsprechend kein geldwerter Vorteil für die Privatnutzung angesetzt werden. Im Gegensatz zur oben angeführten BFH-Rechtsprechung handelte es sich bei der Arbeitnehmerin jedoch nicht um eine gewöhnliche Angestellte, sondern um die Alleingeschäftsführerin, die im hier vorliegenden Sachverhalt aufgrund ihrer herausragenden Position keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hatte, wenn sie sich über das arbeitsvertragliche Nutzungsverbot hinwegsetzt. Im hier vorliegenden Fall gab es keine übergeordneten Bediensteten, die auf die Einhaltung des Nutzungsverbots dringen und bei Verstoß gegen das Nutzungsverbot ihr gegenüber Sanktionen verhängen oder sogar eine Kündigung aussprechen könnten. Die Anteile an der Gesellschaft befanden sich in vollem Umfang in Familienbesitz. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen unerlaubter Privatnutzung wäre auf die Höhe des Familienvermögens ohne Einfluss. Eine evtl. Kündigung der Geschäftsführerin würde die Einkommenssituation der Familie eher schädigen, weil gegebenenfalls ein familienfremder Geschäftsführer bestellt werden müsste.
Die „Selbstkontrolle“ durch den den Dienstwagen nutzenden Geschäftsführer oder den Gesellschafter-Ehegatten bezeichnete das Finanzgericht wortwörtlich als „Farce“. Dennoch stellte das Gericht fest, dass es an einer bewussten Überlassung des Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Geschäftsführer fehlt und schloss sich der eher praxisfremden BFH-Rechtsprechung an. Zitat: „Dass sich dies in der Rechtspraxis als „Dummenrechtsprechung“ auswirkt, nach der derjenige, der wahrheitswidrig die Nutzung des Dienstwagens zu privaten Zwecken bestreitet, ohne jegliches Risiko einer strafrechtlichen Ahndung von der Versteuerung des Nutzungsvorteils verschont bleibt, wohingegen jener, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt und die Privatnutzung einräumt, der „Dumme“ ist, der einen Nutzungsvorteil zu versteuern hat, muss demgegenüber hingenommen werden.“
In einem weiteren Fall musste sich das Niedersächsische Finanzgericht mit der Frage auseinander setzen, wie lohnsteuerlich zu verfahren ist, wenn ein Arbeitnehmer den ihm zur ausschließlichen beruflichen Nutzung überlassenen Firmenwagen trotz arbeitsvertraglich schriftlich fixiertem Nutzungsverbots privat nutzt. Entgegen der eindeutigen vertraglichen Vereinbarung gestattete der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer mündlich, das Fahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen. Der Arbeitgeber stellte fest, dass der Arbeitnehmer in einem Fall das Fahrzeug trotz des bestehenden Nutzungsverbots dennoch auf einer Urlaubsreise privat genutzt hat und erteilte eine entsprechende Abmahnung.
Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung die Auffassung, das Nutzungsverbot sei nur zum Schein ausgesprochen worden und versteuerte einen entsprechenden geldwerten Vorteil. Das Finanzgericht konnte dafür jedoch keine Anhaltspunkte feststellen. Im vorliegenden Sachverhalt war den Verkäufern die Nutzung der Vorführwagen zu beruflichen Zwecken und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gestattet worden. Daraus leitete das Finanzgericht im Rahmen eines Umkehrschlusses ab, dass den Verkäufern die Nutzung zu privaten Zwecken verboten war. Aus der mangelhaften Überwachung des privaten Nutzungsverbots lässt sich allerdings kein Rückschluss auf eine Überlassung zur privaten Nutzung der Fahrzeuge oder eine stillschweigende Duldung der Privatnutzung zu. Ein geldwerter Vorteil kann nach Auffassung des Gerichts nur dann angesetzt werden, wenn ein Fahrzeug ausdrücklich privat überlassen wird. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat dagegen in keinem Fall Lohncharakter.
Weil die Reichweite des Anscheinsbeweises bei einer Firmenwagenüberlassung an den Geschäftsführer noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, hat das Finanzgericht im ersten streitigen Sachverhalt die Revision zugelassen. Wie sich der Bundesfinanzhof in dieser Sache entscheiden wird, bleibt abzuwarten. wir werden Sie in gewohnter Weise auf dem Laufenden halten.
Soweit Sie als Arbeitgeber ein Nutzungsverbot aussprechen, sollten Sie dem Arbeitnehmer unbedingt ein Fahrtenbuch auferlegen. Nur dann können Sie zweifelsfrei nachweisen, dass das Nutzungsverbot auch ernsthaft gewollt ist und nicht nur zum Schein ausgesprochen wurde.
In Fällen, in denen insbesondere leitenden Angestellten und Geschäftsführern hochwertige Fahrzeuge aus dem Luxussegment ausschließlich zu betrieblichen Zwecken überlassen werden, ist eine besonders kritische Prüfung des Finanzamts zu erwarten. Unklar ist die künftige Rechtsentwicklung bei Fällen, in denen das Nutzungsverbot nachgewiesenermaßen nicht ernsthaft gewollt, sondern nur zum Schein ausgesprochen wird. Es ist also Vorsicht geboten.