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Die "Emmely-Entscheidung" in der Rechtsprechung

29.03.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Praxis-Hinweise zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG Berlin vom 16. September 2010, Az. 2 Sa 509/10), das über die außerordentliche Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen Betruges zu entscheiden hatte und sich dabei mit der als "Fall Emmely" bekannt gewordenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 10. Juni 2010, Az. 2 AZR 541/09) auseinandersetzte.

Einleitung

Ob ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, wird im Rahmen einer zweistufigen Prüfung ermittelt. Zunächst muss ein „an sich“ eine außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund gegeben sein. Auf der zweiten Stufe wird geprüft, ob die außerordentliche Kündigung im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhältnismäßig ist.

Bei Eigentums- oder Vermögensdelikten zum Nachteil des Arbeitgebers liegt unabhängig vom Wert des Tatobjektes oder des eingetretenen Schadens „an sich“ ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Dies hat das BAG im Rahmen der „Emmely-Entscheidung“, bei der es bekanntlich um zwei Pfandbons im Wert von je EUR 0,48 und EUR 0,82 ging, bestätigt.

Auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung werden sodann insbesondere das Gewicht und die Auswirkung der Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr, die Dauer des Arbeitsverhältnisses, in der Vergangenheit liegende Vorfälle und weitere Umstände des Einzelfalles berücksichtigt.

Sachverhalt

Das Landesarbeitsgericht hatte im konkreten Fall über die außerordentliche Kündigung einer seit 40 Jahren bei der Beklagten als Zugansagerin beschäftigten Arbeitnehmerin zu entscheiden. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war nach dem geltenden Manteltarifvertrag ausgeschlossen. Die beklagte Arbeitgeberin übernimmt nach einer bei ihr geltenden Richtlinie anlässlich eines 40jährigen Dienstjubiläums Bewirtungskosten in Höhe von EUR 250. Bei ihrer Feier mit Kollegen verauslagte die Klägerin EUR 83,90, reichte bei der Arbeitgeberin jedoch eine falsche Quittung über EUR 250 ein und bekam diesen Betrag erstattet. Als dies heraus kam, gab die Klägerin den Sachverhalt umgehend zu, die Arbeitgeberin kündigte gleichwohl fristlos.

Die Entscheidung

Das LAG entschied, dass der geschilderte Betrugssachverhalt eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertige und hob die arbeitsgerichtliche Entscheidung des Arbeitsgerichts - welche die außerordentliche Kündigung noch bestätige - auf.

Der Betrug stelle zwar einen „an sich“ eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund dar. Jedoch hätten im Rahmen der Abwägung die für die Klägerin sprechenden Gründe überwogen.

Zwar sei der eingetreten Schaden – anders als in der „Emmely-Entscheidung“ – nicht geringfügig, dies sprach gegen die Klägerin. Demgegenüber stellte das Gericht allerdings maßgeblich auf die lange und störungsfreie Zeit der Betriebszugehörigkeit der Klägerin ab, sowie darauf, dass das Betrugsverhalten der Arbeitnehmerin nicht dem Kernbereich ihrer Tätigkeit als Zugansagerin zugeordnet werden könne. Durch die lange Betriebszugehörigkeit habe die Klägerin ein besonders hohes Maß an Vertrauen erworben, das durch den Betrugssachverhalt nicht vollständig aufgebraucht sei.

Praxishinweis

Das LAG greift die Rechtsprechung des BAG zu dem Sachverhalt um die Pfandbons auf und wendet sie auf einen Einzelfall an, bei dem es nun nicht mehr nur um ein Bagatelldelikt ging. Die Entscheidung zeigt die Unwägbarkeiten bei außerordentlichen Kündigungen auf, die sich insbesondere vor dem Hintergrund der Einzelfallabwägung ergeben. Daher sollte, wenn möglich, stets hilfsweise eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.

Quelle: Kathrin Erdmann (Taylor Wessing Hamburg)
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