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Deutlicher geht’s nicht: "Freistellung unter Urlaubsanrechung"?

31.05.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Das Bundesarbeitsgericht fällte eine Entscheidung zu Freistellungserklärungen des Arbeitgebers und einer damit, wie in der Praxis häufig, zugleich verbundenen Anrechnung von Urlaubsansprüchen.

Nachdem das Interesse des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang regelmäßig in einer endgültigen Erledigung des „Urlaubsthemas“ besteht, kommt der Vermeidung von Risiken, insbesondere der nachträglichen Urlaubsabgeltung, besondere Bedeutung zu. Hier können nicht unerhebliche, jedenfalls aber unerfreuliche finanzielle Folgen drohen. Arbeitgeber sind deswegen gut beraten, über die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Themengebiet informiert zu sein. Hierzu zählt auch ein jüngeres Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Mai 2011 (Az.: 9 AZR 189/10), das nachfolgend besprochen werden soll.

Einleitung

Kommt es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, besteht aus den verschiedensten Gründen häufig ein erhebliches Interesse des Arbeitgebers daran, den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen. Alleine mit dieser Freistellung sind, wegen den §§ 305 ff. BGB insbesondere bei der Verwendung von vorformulierten Klauseln im Arbeitsvertrag, einige Risken verbunden. Eine grundlose Freistellung und/oder unter Fortfall der Bezüge kommt insoweit regelmäßig nicht in Betracht.

Hinzu kommt aber ein weiteres. So wird der Arbeitgeber regelmäßig unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen freistellen, um das Thema endgültig abzuschließen. Die in der Vergangenheit insoweit immer wieder problematische Frage nach der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Freistellung ist zwischenzeitlich geklärt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann davon ausgegangen werden, dass ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis auch dann besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge einer unwiderruflichen Freistellung arbeitsrechtlich gar nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Weiter ist geklärt, dass eine Erkrankung in der Freistellungsphase die Anrechnung des Urlaubs verhindert. Eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs liegt dann nämlich nicht mehr vor.

Grundsätzlich geklärt ist auch, dass die Freistellung „unwiderruflich“ erklärt werden muss. Nur dann kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG hierzu verpflichtete Arbeitgeber entweder die gesamte Zeit der Freistellung als Urlaub gewähren wolle, oder aber der Arbeitnehmer selber dessen zeitliche Lage innerhalb des Freistellungszeitraums bestimmen solle. Dies liegt daran, dass der Arbeitnehmer bei der unwiderruflichen Freistellung nicht mehr mit einer Heranziehung zur Arbeitsleistung rechnen muss. Kann eine Freistellung nicht durchgeführt werden bzw. kommt es zu den beschriebenen oder sonstigen Schwierigkeiten, muss der Arbeitgeber Urlaub unter Umständen zusätzlich gewähren oder abgelten. Das Interesse an der rechtssicheren Durchführung der Freistellung ist daher, schon unter finanziellen Gesichtspunkten, regelmäßig hoch. Typischerweise werden daher Formulierungen wie z.B. „stellen wir Sie ab sofort unter Anrechung von Urlaubsansprüchen von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei“ verwendet. Nach den aufgezeigten Vorgaben wäre damit sichergestellt, dass hiervon der vollständige Urlaub des Arbeitnehmers erfasst wird. Ob und inwieweit dies auch dann der Fall ist, wenn die Kündigungsfrist über das Jahresende hinaus läuft und später die Unwirksamkeit der Kündiung festgestellt wird, hat das Bundesarbeitsgericht nun jüngst mit Urteil vom 17. Mai 2011 (Az: 9 AZR 189/10) entschieden.

Sachverhalt

In dem vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) zu beurteilenden Fall ging es um die Klage eines Arbeitnehmers gegen die fristgerechte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 13. November 2006 zum 31. März 2007. Gleichzeitig mit der Kündigung stellte die Beklagte den Kläger „ab sofort unter Anrechnung Ihrer Urlaubstage von Ihrer Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge frei“. Nachdem der Kläger den Kündigungsschutzprozess gewonnen hatte, begehrte er Resturlaub für das Jahr 2007. Er war der Auffassung, die Beklagte hätte ihm während der Freistellung neben dem Urlaub aus dem Jahr 2006 allenfalls 7,5 Tage Urlaub für das Jahr 2007 gewährt. Dies entspräche seinem Teilurlaub gemäß § 5 Abs. 1 c) BUrlG für den Zeitraum vom 01. Januar 2007 bis zum 31. März 2007. Die Klage war von den Vorinstanzen abgewiesen worden.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) hat der Klage dagegen stattgegeben. Hierzu führt es in der Entscheidung, von der bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, aus, dass es sich bei der Freistellung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers handele. Diese Erklärung sei gemäß §§ 133, 157 BGB aus der Sicht des Arbeitnehmers auszulegen. Die Auslegung müsse hinreichend deutlichen erkennen lassen, in welchem Umfang der Arbeitgeber entsprechend seiner Verpflichtung gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllen wolle. Zweifel gingen zu Lasten des Arbeitgebers. Als Erklärender habe er es in der Hand, den Umfang der Freistellung eindeutig festzulegen. Im konkreten Fall habe der Arbeitnehmer der Freistellungserklärung der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen können, ob diese u.a. den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder lediglich den auf den Zeitraum vom 01. Januar bis zum 31. März 2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch habe erfüllen wollen.

Praxishinweis

Die Entscheidung bestätigt die Brisanz der Themenkombination Freistellungserklärung und Urlaubsgewährung. Zwar ändert sie zunächst grundsätzlich nichts daran, dass Freistellungen immer „unwiderruflich“ und „unter Anrechung von Urlaubsansprüchen“ erklärt werden sollten. Für den hier entschiedenen Sonderfall einer über den Jahreswechsel hinausgehenden Kündigungsfrist ist aus Arbeitgebersicht dagegen zweierlei von großer Bedeutung: Bei über den Jahreswechsel hinaus laufenden Kündigungsfristen reicht die „normale“ Freistellungserklärung nicht aus, um den vollen Urlaubsanspruch des neuen Kalenderjahres zu erledigen. Grundsätzlich ausgeschlossen ist dies aber, so wird man das Bundesarbeitsgericht verstehen müssen, gleichwohl nicht. Erforderlich dürfte vielmehr „nur“ eine hinreichend deutliche Formulierung in der Freistellungserklärung sein. Dies erscheint konsequent, wenn der Arbeitgeber bei entsprechenden Fallkonstellationen regelmäßig von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie gekündigt ausginge und deswegen auch nur den Zeitraum der Kündigungsfrist im neuen Jahr im Blick hätte. Andererseits könnte man aber auch mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. noch BAG, Urt. v. 14. August 2007 – 9 AZR 934/06, zitiert nach juris) vertreten, dass entsprechende Freistellungserklärungen auch vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung abgegeben werden, um die Kumulation von Annahmeverzugslohn- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern. Hier weicht die aktuelle Entscheidung (a.a.O.) offensichtlich ab bzw. stellt neue Anforderungen auf. Sie zwingt Arbeitgeber, jeden Einzelfall auf eine Einschlägigkeit des Themas einer „überlappenden Kündigungsfrist“ zu prüfen. Anschließend sollte sorgfältig eine den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts entsprechende, deutliche Formulierung erarbeitet werden. Anderenfalls bestehen mindestens ebenso deutliche Risiken.

Quelle: Lars C. Möller (Taylor Wessing Frankfurt am Main)
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