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BAG: Pauschale Überstundenabgeltung ohne Begrenzung unzulässig

06.04.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 1. September 2010 (Az.: 5 AZR 517/09) zur Unwirksamkeit von Regelungen in vorformulierten Arbeitsverträgen, die vorsehen, dass mit dem vereinbarten Monatslohn zugleich auch eventuelle Überstunden abgegolten werden

Einleitung

Arbeitgeber haben ein Interesse daran, die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer möglichst flexibel und der Auftragslage entsprechend zu beschäftigen. Insoweit ist es häufig erforderlich, dass die Mitarbeiter über das im Arbeitsvertrag geregelte Maß hinaus Mehrarbeit leisten. In aller Regel müssen diese Überstunden vergütet werden. Um das Risiko, dass aufgrund der Anordnung von Überstunden zusätzlich Vergütungsansprüche in unerwarteter Höhe entstehen, zu vermindern, sind in der Praxis arbeitsvertragliche Regelungen gebräuchlich, wonach mit dem vereinbarten Monatslohn auch eventuelle Überstunden abgegolten wird.

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 1. September 2010 nun in Einklang mit der bisherigen Instanzenrechtsprechung klargestellt, dass solche Regelungen in vorformulierten Arbeitsverträgen unwirksam sind.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall klagte ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf Abgeltung von 102 Überstunden, die auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben waren. Der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag enthielt folgende vorformulierte Regelung:

„[…] Das Bruttogehalt bezieht sich auf 45 Arbeitsstunden wöchentlich. Davon sind 38 Normalstunden und 7 Mehrarbeitsstunden. Die Mehrarbeitsstunden können im Fall betrieblicher Erfordernisse jederzeit ganz oder teilweise abgebaut und verrechnet werden. Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten.“

Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer von seinem ehemaligen Arbeitgeber, die geleisteten Überstunden zu vergüten.

Entscheidung

Nachdem bereits sowohl das Arbeitsgericht Paderborn, als auch das LAG Hamm dem Arbeitnehmer Recht gegeben hatten, erklärte auch das BAG die Abgeltungsklausel für unwirksam und verurteilte den Arbeitgeber zur Vergütung der Überstunden.

Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass die arbeitsvertragliche Regelung, wonach mit dem vereinbarten Monatslohn auch die geleisteten Überstunden abgegolten wurden, gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Das Transparenzgebot besagt, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Vertragspartner, hier den Arbeitnehmer, dann unangemessen benachteiligen und daher unwirksam sind, wenn sie nicht klar und verständlich formuliert sind. Sinn dieses Transparenzgebotes ist es, den Vertragspartner davor zu schützen, dass er nicht erkennt, welche Rechte ihm zustehen und er daher davon abgehalten wird, diese Rechte auch geltend zu machen.

Nach Ansicht des BAG genügte die vereinbarte Abgeltungsklausel nicht den durch das Transparenzgebot gestellten Anforderungen. Nach Auffassung des Gerichts war der Arbeitnehmer nicht in der Lage, zu erkennen, welche Arbeitsleistungen von der Abgeltungsklausel erfasst werden sollten. Der Arbeitnehmer habe nicht beurteilen können, welche Arbeitszeiten auf ihn zukommen würden und wie viele Arbeitsstunden er für die vereinbarte monatliche Vergütung maximal zu leisten habe. Insofern bestehe die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, ihm stünden keine Ansprüche auf eine gesonderte Überstundenvergütung zu, diese Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend mache.

Bewertung

Das Urteil des BAG hat nicht sonderlich überrascht. Bereits in der Vergangenheit war durch die Landesarbeitsgerichte festgestellt worden, dass vorformulierte Vertragsklauseln, wonach durch die zu zahlende Bruttovergütung etwaige Überstunden abgegolten sein sollten, unwirksam sind (so etwa LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 03.06.2010, 15 Sa 166/10; LAG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2008, 9 Sa 1958/07). Entsprechende Abgeltungsklauseln, die keine Begrenzung der mit dem Grundgehalt abgegoltenen Überstunden enthielten, wurden auch in der juristischen Literatur überwiegend als arbeitsrechtlich problematisch angesehen, weil sie den Arbeitgeber berechtigen, die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung einseitig zu erhöhen, ohne die zu zahlende Vergütung entsprechend anzupassen. Das BAG hat mit seiner Entscheidung vom 1. September 2010 die herrschende Meinung in der Instanzenrechtsprechung und der Literatur bestätigt.

Eine Abgeltungsklausel, die keinen Hinweis auf den Umfang der maximal abgegoltenen Überstunden enthält, ist intransparent und damit unwirksam. Als Folge hieraus können sich Arbeitgeber Ansprüchen auf nachträgliche Vergütung der vermeintlich abgegoltenen Überstunden ausgesetzt sehen. Die Höhe der Vergütung der Überstunden richtet sich – soweit diesbezüglich keine arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen existieren – nach der üblichen Vergütung.

Durch die Entscheidung des BAG ist zugleich ein erhöhter Beratungsbedarf entstanden: Arbeitgeber müssen nun abwägen, ob sie die Abgeltungsklauseln in ihren Arbeitsverträgen rechtswirksam ausgestalten und eine Begrenzung der mit der monatlich zu zahlenden Bruttovergütung abgegoltenen Überstunden vornehmen wollen – oder ob sie die bisher verwendeten Überstundenabgeltungsklauseln in der derzeitigen Form beibehalten wollen. Die erste Alternative hat zur Folge, dass die Mitarbeiter regelmäßig Vergütung für die angefallenen Überstunden, die über die vereinbarte Begrenzung hinausgehen, verlangen werden. Die zweite Alternative birgt das Risiko in sich, dass Arbeitnehmer ab der ersten geleisteten Überstunde eine Vergütung verlangen können. Im Streitfall müssen die betreffenden Arbeitnehmer dann im Einzelnen darlegen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Das wirtschaftliche Risiko für den Arbeitgeber kann zudem durch die Vereinbarung von Ausschlussfristen begrenzt werden.

Quelle: Dr. Sven Heide (Taylor Wessing Hamburg)
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