Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit – Freizeitausgleich aber wann?

30.07.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit einer Entscheidung des BAG, in welcher es sich mit der Frage befasst hat, inwieweit die Wünsche eines Betriebsratsmitglieds bei der zeitlichen Lage des Freizeitausgleichs für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit durch den Arbeitgeber zu berücksichtigen sind.

I. Einleitung

Das Betriebsverfassungsgesetz geht davon aus, dass die Mitglieder des Betriebsrats die sich aus ihrem Amt ergebenden Aufgaben grundsätzlich während der Arbeitszeit durchführen sollen. Dies ist jedoch aus betriebsbedingten Gründen nicht immer möglich. So kommt es insbesondere in Betrieben mit Schichtbetrieb immer wieder vor, dass die Mitglieder des Betriebsrats in unterschiedlichen Schichten eingeteilt sind und jedenfalls ein Teil der Betriebsratsmitglieder daher die Betriebsratstätigkeiten außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit erbringen. Aber auch in Betrieben ohne Schichteinteilung können betriebsbedingte Gründe eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit erfordern, etwa wenn dem Betriebsrat durch den Arbeitgeber eine Vielzahl kurzfristig zu bearbeitender beteiligungspflichtiger Sachverhalte vorgelegt werden.

Um eine Benachteiligung der Betriebsratsmitglieder durch einen Verlust persönlicher Freizeit infolge der außerhalb der Arbeitszeit geleisteten Betriebsratstätigkeit zu vermeiden, gewährt die Regelung des § 37 Abs. 3 BetrVG einen Ausgleichsanspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung ohne Minderung des Arbeitsentgelts und hilfsweise einen Anspruch auf Abgeltung der aufgewandten Zeit. Hinsichtlich des Freizeitausgleichs war bislang im Schrifttum umstritten und höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, inwieweit der Arbeitgeber die Wünsche des Betriebsratsmitglieds bei der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 BetrVG zu berücksichtigen hat. Verbreitet wurde die Ansicht vertreten, dass insoweit die Grundsätze der Urlaubsgewährung entsprechend gelten. Auch in der Praxis wird der Freizeitausgleich vielfach wie Urlaub behandelt und die Wünsche des Betriebsratsmitglieds folglich vorrangig berücksichtigt. Nunmehr hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 15. Februar 2012 (7 AZR 774/10) mit dieser Frage befasst.

II. Sachverhalt

Die Beklagte ist Betreiber von Personennahverkehr. Der Kläger ist bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Zudem war der Kläger im Jahr 2009 Vorsitzender des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats. Im ersten Quartal des Jahres 2009 erledigte der Kläger im Umfang von 77,16 Stunden Betriebsratsaufgaben außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit. Hierfür begehrte der Kläger einen Ausgleich durch Arbeitsbefreiung, unter anderem am 10., 12. und 15. Juni 2009. Mit dem weiteren Vorschlag der Beklagten, den Kläger in den Osterferien am 14.,16., 17. und 18. April 2009 freizustellen, erklärte sich dieser nicht einverstanden.

Die Beklagte stellte den Kläger daher gegen dessen Willen in den Osterferien am 14.,16., 17. und 18. April 2009 frei und begründete dies damit, dass sie während der Osterferien neun Fahrer weniger benötige. Mit seiner Klage verlangte der Kläger eine Gutschrift in Höhe der für die gegen seinen Willen für die Freistellung in den Osterferien verbuchten Zeiten auf seinem Arbeitszeitkonto. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

III. Die Entscheidung

Auch die von dem Kläger eingelegte Revision zum Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Berichtigung seines Arbeitszeitkontos verneint. Das BAG hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsbefreiung entsprechend dem Arbeitszeitkonto insoweit erloschen seien, als die Beklagte die Freistellung in den Osterferien am 10., 12. und 15. Juni 2009 als Ausgleichszeit für außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeiten auf dem Arbeitszeitkonto gebucht hat. In Höhe der Freistellung in den Osterferien seien die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 37 Abs. 3 BetrVG durch Erfüllung erloschen.

Das BAG stellte klar, dass die Freistellung zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeiten keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied bedarf, sondern lediglich einer empfangsbedürftigen gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers, mit der er zum Zweck der Erfüllung des Arbeitsbefreiungsanspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auf sein arbeitsvertragliches Recht auf Erbringung der Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfang verzichtet und die Arbeitspflicht des Betriebsratsmitglieds damit zum Erlöschen bringt.

Das BAG stellte zudem klar, dass die Beklagte bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung nicht verpflichtet gewesen sei, die Wünsche des Klägers entsprechend der urlaubsrechtlichen Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bevorzugt zu berücksichtigen. Weder Wortlauf noch die Systematik des § 37 Abs. 3 BetrVG würden einen Hinweis darauf geben, dass sich der Arbeitgeber bei der Erfüllung des Arbeitsbefreiungsanspruchs zwingend und vorrangig an den Wünschen des Betriebsratsmitglieds zur orientieren hätte.

Auch Sinn und Zweck des Freizeitausgleichsanspruchs führten nicht zu einer solchen Verpflichtung. Denn der Freizeitausgleichsanspruchs nach § 37 Abs. 3 BetrVG diene – anders als der Urlaubsanspruch – nicht der Erholung, sondern bezwecke einen zeitnahen und im Zusammenhang mit der Erledigung der Betriebsratsaufgaben stehenden Ausgleich des aus betriebsbedingten Gründen erbrachten Freizeitopfers des Betriebsratsmitglieds.

Nach Ansicht des BAG ist damit zwar nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber ein von dem Betriebsratsmitglied geäußertes Anliegen der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 BetrVG bei der Freistellung berücksichtigen muss. Dies sei aber nur ein Aspekt der nach billigem Ermessen im Sinne von § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB festzulegenden zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung zur Erfüllung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Die Grenzen billigen Ermessens seien gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Allerdings habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer rechtzeitig mitzuteilen, wann er Freizeitausgleich erhält. Denn dem Arbeitnehmer solle ermöglicht werden, sich darauf einzustellen und die Freizeit sinnvoll nutzen zu können.

IV. Praxishinweis

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 15. Februar 2012 die bislang umstrittene Frage der Berücksichtigung von Wünschen eines Betriebsratsmitglieds bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung als Ausgleich für außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeiten nunmehr zugunsten eines größeren Ermessensspielraums des Arbeitgebers geklärt. Für die Praxis bedeutet dies ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit auf Arbeitgeberseite.

Anders als bei der Behandlung von Urlaubswünschen von Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber bei der Festlegung der zeitlichen Lage des Freizeitausgleichsanspruchs für außerdienstlich erbrachte Betriebsratstätigkeiten nicht zuvörderst die Wünsche des Betriebsratsmitglieds berücksichtigen. Diese müssen zwar auch Berücksichtigung finden, aber vorrangige Interessen des Arbeitgebers an einer abweichenden Festlegung können die Wünsche des Arbeitnehmers überlagern und die abweichende Festlegung rechtfertigen.

nach oben
FAQ