16.08.2012 — none . Quelle: Towers Watson GmbH.
Der Ausfinanzierungsgrad der Pensionspläne von DAX- und MDAX-Unternehmen ist im ersten Halbjahr 2012 gesunken (-3,6 bzw. -2,4 Prozentpunkte), wie eine aktuelle Studie von Towers Watson zeigt. Diese Entwicklung geht vor allem auf den Rechnungszins zurück, der im Betrachtungszeitraum um 66 Basispunkte auf 4,09 Prozent nachgab. In der Folge werden die Pensionsverpflichtungen mit einem höheren Wert in den Bilanzen angesetzt. Sie stiegen im DAX auf 281 Mrd. Euro (Ende 2011: 259 Mrd. Euro) und im MDAX auf 37 Mrd. Euro (Ende 2011: 34 Mrd. Euro). Dieser Verpflichtungsanstieg konnte auch durch die guten Anlageerträge auf die pensionsspezifischen Vermögenswerte (mehr als 4 Prozent) nicht kompensiert werden. Insgesamt stehen den Pensionsverpflichtungen spezifisch hierfür reservierte Vermögenswerte in Höhe von 174 Mrd. Euro (DAX) bzw. 17 Mrd. Euro (MDAX) gegenüber.
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Zu diesem Ergebnis kommt die Hochrechnung „German Pension Finance Watch“ der Unternehmensberatung Towers Watson. Die Studie analysiert seit 2003 die aktuellen Entwicklungen der Pensionsverpflichtungen sowie die Erträge der hierfür reservierten Kapitalanlagen anhand von Musterplänen für DAX und MDAX.
Mit Blick auf die jüngste Diskussion um die Situation der Betriebsrenten in dem aktuellen Niedrigzinsumfeld betont Dr. Thomas Jasper, Leiter des Beratungsbereichs „betriebliche Altersversorgung“ bei Towers Watson: „Man sollte nicht übersehen, dass die bAV einen sehr langfristigen Anlagehorizont hat. Von der Erteilung einer Pensionszusage bis zur Auszahlung der ersten Rente können Jahrzehnte vergehen. Somit besteht für Unternehmen und ihre Mitarbeiter die Chance, Ertragsschwankungen in ihren Pensionsvermögen langfristig auszugleichen.“
Das starke Absinken des Rechnungszinses im ersten Halbjahr 2012 erklärt Jasper mit dem großen Interesse, das insbesondere institutionelle Anleger derzeit an „sicheren“ Anlagemöglichkeiten zeigen. „Aufgrund der hohen Nachfrage steigen die Kurse sowohl von deutschen Staatsanleihen als auch von Unternehmensanleihen guter Bonität. Im Gegenzug sinkt die eingepreiste Rendite dieser Anleihen, welche Grundlage für die Ermittlung des Rechnungszinses ist“, so der bAV-Experte.
Aktuell beträgt der Ausfinanzierungsgrad der DAX-Pensionspläne 62 Prozent; im MDAX sind es 47 Prozent (Ende 2011: 66 bzw. 49 Prozent). „In der langfristigen Betrachtung zeigt sich, dass der Ausfinanzierungsgrad immer wieder um einige Prozentpunkte schwankt“, berichtet Jasper. „Jedoch ist Ausfinanzierungsgrad der DAX-Pensionspläne in der zurückliegenden Dekade von rund 54 Prozent (2000) auf rund 66 Prozent (2011) insgesamt deutlich gestiegen, wie die Analyse der Jahresabschlüsse der Unternehmen zeigt.“
Towers-Watson-Experte Jasper betont, dass die Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren die Kapitaldecke für ihre künftigen Rentenzahlungen kontinuierlich weiter ausgebaut und selbst während der turbulenten wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren 2008 und 2009 auf Kürzungen verzichtet haben. Für den bAV-Experten unterstreicht dies zwei wesentliche Trends: „Zum einen legen die Unternehmen großen Wert darauf, ihren Mitarbeitern eine werthaltige Betriebsrente anzubieten, weil sie sich damit als attraktiver Arbeitgeber im Markt positionieren können. Und zum anderen haben insbesondere die großen Unternehmen ihre Hausaufgaben in punkto Pensionen längst erledigt: Heute werden die Inhalte der Pensionszusagen, die Finanzierungsstrategie und das Management der Kapitalanlagen eng aufeinander abgestimmt. Eine fortlaufende Überprüfung der wesentlichen Parameter sowie ein sorgsames Risikomanagement ermöglichen es, den eingeschlagenen Kurs bei Bedarf frühzeitig zu korrigieren.“
Sein Resümee lautet daher: „Daher kann die betriebliche Altersversorgung in Deutschland als vergleichsweise robust und krisenfest angesehen werden – sowohl im Vergleich zu privaten Formen der Vorsorge und Vermögensbildung als auch im Vergleich zu Pensionssystemen in anderen Ländern.“
Dem German Pension Finance Watch liegen Benchmark-Pensionspläne mit unterschiedlichen Ausfinanzierungsgraden zugrunde. Ein Musterplan (100-Prozent-Plan) stützt sich auf ein Szenario, bei dem die Pensionslasten von Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2003 voll mit extern angelegtem Vermögen unterlegt waren. Zwei weitere Musterpläne (DAX- bzw. MDAX-Plan) zeichnen die durchschnittliche Entwicklung bei Pensionsverpflichtungen und Kapitaldeckung der Unternehmen in dem jeweiligen Börsenindex nach. Analysiert werden die aktuellen Entwicklungen auf der Verpflichtungsseite sowie die Erträge der für Pensionsverpflichtungen reservierten Kapitalanlagen. Die Untersuchung ergänzt die von Towers Watson herausgegebenen Studien zu US-amerikanischen und weltweiten Benchmark-Pensionsplänen (Global Pension Finance Watch, www.towerswatson.com/newsletters/pension-finance-watch), die ebenfalls quartalsweise erscheinen.
Pensionsverpflichtungen: Die Pensionsverpflichtungen umfassen den Wert der Leistungen, insbesondere Rentenzahlungen, die Unternehmen an ihre aktuellen und künftigen Betriebsrentner zu leisten haben. In den Bilanzen werden die künftigen Zahlungen mit dem Wert erfasst, den das Unternehmen heute zahlen müsste (Barwert), wenn es die Verpflichtung sofort vollständig ausfinanzieren wollte.
Der heutige Gegenwert der Verpflichtung (Barwert) wächst durch Zins und Zinseszins bis zum Auszahlungsdatum auf die Höhe des versprochenen Auszahlungswerts an. Dabei orientiert sich der Zinssatz an der Umlaufrendite von Anleihen guter Bonität (Rechnungszins).
Ändert sich diese Umlaufrendite, ändert sich auch der für die Berechnung des Barwerts zugrunde zu legende Zinssatz. In der Folge ändert sich auch der in der Bilanz anzusetzende heutige Gegenwert der Pensionsverpflichtungen – er steigt, wenn der Rechnungszins sinkt bzw. er sinkt, wenn der Rechnungszins steigt.
Der Betrag der für die Zukunft zugesagten Rentenzahlung ändert sich dadurch nicht.
Rechenbeispiel: Ein Unternehmen sagt einem heute 55-jährigen Mitarbeiter zu, ihm bei Rentenbeginn mit 65 Jahren einmalig ein Kapital in Höhe von 10.000 Euro auszuzahlen. Bei einem Rechnungszins von 6 Prozent müsste es heute hierfür (unter der Annahme, dass die Leistung mit Sicherheit nach zehn Jahren abgerufen wird) eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 5.584 Euro in seiner Bilanz ansetzen. Beträgt der Rechnungszins hingegen nur niedrigere 4 Prozent, müsste es einen deutlich höheren Verpflichtungsumfang (6.756 Euro) angeben. Trotz der unterschiedlichen Verpflichtungsangaben in der Bilanz lautet das künftige Zahlungsversprechen weiterhin auf 10.000 Euro.
(Zusätzlich fließen – je nachdem, ob das Unternehmen seinen Mitarbeitern beispielsweise eine lebenslange Rente oder eine einmalige Kapitalzahlung im Ruhestand versprochen hat – weitere Faktoren, wie etwa die statistische Lebenserwartung, in die Berechnung ein.)
Pensionsspezifische Vermögenswerte / Planvermögen: Als so genanntes Planvermögen gelten die Vermögenswerte, die explizit für die Zahlung der Pensionsverpflichtungen reserviert und insolvenzgeschützt vom Vermögen des Unternehmens getrennt sind (Anforderungen nach dem Rechnungslegungsstandard IAS 19). Vermögenswerte, die allein durch die Bildung von Pensionsrückstellungen im Unternehmen gebunden wurden, zählen nach diesen strengen Vorschriften nicht als Planvermögen.
Ausfinanzierungsgrad: Der Ausfinanzierungsgrad ist der Quotient aus Planvermögen und Pensionsverpflichtungen. Verändern sich diese Werte in gegenläufiger Richtung, beeinflusst dies den Ausfinanzierungsgrad. In der Langzeitbetrachtung zeigt sich, dass der Ausfinanzierungsgrad im Jahresvergleich meist geringfügig schwankt. Jedoch haben Unternehmen in der vergangenen Dekade die speziell für die Zahlung künftiger Betriebsrenten reservierten Vermögenswerte stetig ausgebaut – ein Trend, der nach Einschätzung von Towers Watson weiter anhalten wird.