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Arbeitszeitbetrug als Kündigungsgrund

26.09.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Ein betrügerisches Verhalten beim Nachweis der geleisteten Arbeitsstunden kann zur fristlosen Kündigung berechtigen.

Tatbestand

Die als alleinerziehende Mutter einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist bei dem beklagten Land seit dem 01.04.1987 als Justizbeschäftigte angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Klägerin erzielte bei einer Arbeitszeit von 75 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer entsprechenden Vollzeitbeschäftigten ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen von 1.985,00 EUR. Die Klägerin ist beim Amtsgericht eingesetzt. Für die Beschäftigten des Amtsgerichts gilt eine gleitende Arbeitszeit nach Maßgabe einer entsprechenden Dienstvereinbarung vom 04.07.2007. Diese Dienstvereinbarung sieht u. a. Folgendes vor:

6. Anrechnung der Arbeitszeit
Eine Unterschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit ist für Vollzeitkräfte nur bis zu 12 Stunden für Beamtinnen und Beamte und 11 Stunden und 42 Minuten für Tarifbeschäftigte im Monat zulässig (...)

7. Zeiterfassung
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit Ausnahme der unter 2. genannten, sind verpflichtet, ihre Anwesenheitszeit zu erfassen, und zwar auch dann, wenn in der Mittagszeit die Justizkantine aufgesucht wird und das Justizgebäude während der Mittagspause nicht verlassen wird. Die Zeiterfassung kann entweder durch Betätigung der Zeiterfassungsgeräte im Eingangsbereich der Dienstgebäude mittels Magnetkarte oder mittels des AS-400-Anwenderprofils ZEAUSAG - erfolgen. Jedes Verlassen des Dienstgebäudes aus nichtdienstlichen Gründen und die Rückkehr sind zu erfassen.

Jede Abweichung von den Zeiterfassungsnormen ist der Geschäftsleitung mittels Korrekturbeleg (Zeiterfassung) anzuzeigen. (...)

Die vorstehenden Regelungen gelten für Teilzeitkräfte - soweit keine anderen Regelungen getroffen wurden - entsprechend dem Umfang ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit.

Das Vortäuschen einer in Wirklichkeit nicht geleisteten Arbeitszeit sowie Manipulation (z.B. Bedienung der Zeiterfassungsuhr durch Dritte) können strafrechtliche oder dienstordnungsrechtliche Maßnahmen zur Folge haben.

Am 29.11.2010 nahm die Klägerin ausweislich der Zeiterfassung ihre Arbeit um 9.15 Uhr auf. Während der Mittagspause des Direktors des Amtsgerichts im Zeitraum 12.25 Uhr bis 12.55 Uhr legte die Klägerin entsprechend einer Anweisung des Direktors das von ihr an diesem Tag erledigte Schreibwerk auf dessen Schreibtisch. Um 12.36 Uhr wurde der Computer der Klägerin herunter gefahren. Zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr begab sich die Klägerin bekleidet mit einem Mantel oder einer Jacke zum nördlichen Treppenhaus des 2. Stockwerks und ging abwärts ins Erdgeschoss. Bis jedenfalls 13.50 Uhr kehrte die Klägerin nicht mehr in ihr Dienstzimmer zurück. Wann die Klägerin das Dienstgebäude verlassen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin bediente bei Verlassen des Gebäudes das Zeiterfassungsgerät nicht und reichte stattdessen am Folgetag einen unterschriebenen Korrekturbeleg ein, auf welchem sie handschriftlich eintrug: "Geht 14:00."

Am 06. und 07.12.2010 wurde die Klägerin zu der geleisteten Arbeitszeit am 29.11.2010 angehört. Mit Schreiben vom 07.12.2010 hörte das beklagte Land den beim Amtsgericht bestehenden Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung der Klägerin an. Mit Schreiben vom 07.12.2010 teilte der Personalrat mit, dass der beabsichtigten Maßnahme nichts entgegenstehe. Das beklagte Land kündigte daraufhin das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist wegen der nach Ansicht des beklagten Landes unrichtigen Angabe bezüglich der Beendigung der Arbeit am 29.11.2010. Hiergegen richtet sich die am 22.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage.

(...)

Entscheidungsgründe

(...)

Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 34 Abs. 2 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, der das beklagte Land zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtigte.

Vorsätzliche Manipulationen im Rahmen der Zeiterfassung sind an sich geeignet einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen, da hierdurch das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität des Arbeitnehmers schwerwiegend erschüttert wird.

Das Arbeitsgericht ist auch in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Feststellung gelangt, dass die Klägerin am 29.11.2010 entgegen ihrer Eintragung auf dem nachgereichten Korrekturbeleg das Dienstgebäude bereits gegen 13.00 Uhr verlassen hat.

(...)

Als milderes Mittel scheidet die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung aus. Diese ist im Falle der Klägerin nach § 34 Abs. 2 TV-L ausgeschlossen. Dieser tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung wirkt sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zugunsten der Klägerin aus. Hinsichtlich der Auswirkungen eines bestehenden tariflichen Schutzes gegen ordentliche Kündigungen ist bei verhaltensbedingten Gründen zu unterscheiden: Pflichtverletzungen können so gravierend sein, dass sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Zeit schlechthin unzumutbar machen. In diesen Fällen kann auch ein tarifvertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu keiner anderen Interessenabwägung führen. Bei Pflichtverletzungen mit Wiederholungsgefahr, die im konkreten Fall bei ordentlicher Kündbarkeit nur eine fristgerechte Kündigung sozial rechtfertigen würden, kann bei Ausschluss dieser Kündigungsmöglichkeit gerade wegen der langen Vertragsbindung eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.

(...)

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2012, Aktenzeichen: 9 Sa 676/11 (in Auszügen)

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