13.11.2012 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist eine GmbH. Die Klägerin nutzte das Betriebsgrundstück … zunächst aufgrund eines Unterpachtvertrages, den sie 1984 mit der Fa. X als Verpächterin geschlossen hatte. In diesem Unterpachtvertrag war eine Pachtzeit vom 01.06.1984 bis 30.09.1991 vereinbart. Der Pachtzeitraum des Unterpachtvertrags entsprach dem Zeitraum, für den Y als Grundstückseigentümerin das Grundstück an X verpachtet hatte. In diesem Pachtvertrag war X ein Vorpachtrecht für die Zeit nach dem 30.09.1991 eingeräumt worden. In § 2 Abs. 2 des Unterpachtvertrags erklärte X ihre Bereitschaft, nach Ablauf des Unterpachtvertrags über ein direktes Pachtverhältnis zwischen der Klägerin und der Grundstückseigentümerin zu verhandeln. Mit Vertrag vom 12./25.08.1992 schloss die Klägerin einen Pachtvertrag unmittelbar mit Y als Grundstückseigentümerin. Die Laufzeit des Vertrages war vom 01.10.1991 bis zum 30.09.2001 vereinbart. Für die Folgezeit räumte die Verpächterin der Klägerin ein Vorpachtrecht dergestalt ein, dass letztere vor anderen Pachtreflektanten den Vorrang haben soll, wenn das Pachtgelände nach dem 30.09.2001 weiterverpachtet wird. Durch Nachtrag zu dem Vertrag vom 12./25.08.1992 wurde die Laufzeit des Pachtvertrags bis zum 30.09.2011 verlängert; dieser Nachtrag wurde am 01./04.03.1996 vereinbart. Durch weitere Vereinbarung vom 02.07./08.07.2003 hoben die Klägerin und Y den Pachtvertrag vom 02.12./25.08.1992 und die hierzu zwischenzeitlich geschlossenen Nachtragsvereinbarungen zum 30.06.2003 einvernehmlich auf und schlossen einen Mietvertrag ab.
Die Präambel und § 1 des Mietvertrages lauten wie folgt: Seit Abschluss des bisherigen Pachtvertrages vom 12./25.08.1992 sind zahlreiche Nachträge zwischen den Vertragsparteien geschlossen worden, sowie Gesetzesänderungen und eine Änderung der Allgemeinen Bedingungen für die Vermietung von Flächen und Einrichtungen der Y in Kraft getreten. Eingedenk dessen und dem Wunsch der Mieterin auf Verlängerung des Mietverhältnisses wird der vorstehend genannte Mietvertrag zu den Konditionen des nachstehenden Vertrages fortgesetzt ... In dem Mietvertrag war eine feste Mietzeit vom 01.07.2003 bis 30.06.2018 vereinbart. Der Klägerin wurde ferner das Recht eingeräumt, das Mietverhältnis zweimal um jeweils fünf Jahre zu verlängern. Vom Beginn der Grundstücksnutzung an war die Klägerin aufgrund der Pachtverträge bzw. des Mietvertrages verpflichtet, alle auf dem Pachtgrundstück befindlichen baulichen Anlagen bei Pacht- bzw. Mietende zu beseitigen, sofern nicht ein Pacht- bzw. Mietnachfolger die Beseitigungspflicht übernimmt.
Zunächst hatte die Klägerin sich in § 5 Abs. 2 des Unterpachtvertrags verpflichtet, die entsprechende Beseitigungspflicht der X zu erfüllen. Das Eigentum an den zum 01.06.1984 auf dem Pachtgrundstück befindlichen Gebäuden wurde der Klägerin von der vorherigen Unterpächterin übertragen. Später ergab sich eine entsprechende Verpflichtung aus § 10 Abs. 3 des Pachtvertrags vom 12./25.08.1992 und aus §§ 7, 9 des Mietvertrags vom 02./08.07.2003 i.V.m. § 19 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermietung von Flächen und Einrichtungen der Y. Die Klägerin bildete in ihren Jahresabschlüssen eine Rückstellung für die zu erwartenden Abbruchkosten. Spätestens bis zum Jahr 1996 hatte die Klägerin eine Rückstellung in Höhe der vollen, von ihr geschätzten Abbruchkosten gebildet; seither nahm sie lediglich Zuführungen in Höhe der geschätzten Preissteigerungen vor. Wie die Rückstellung im Einzelnen angesammelt wurde, ist nicht mehr festzustellen, da die Beteiligten die Buchführungsunterlagen bis 1996 vernichtet haben. Eine Abzinsung der Rückstellung nahm die Klägerin nicht vor. Für die zu erwartenden Abbruchkosten bildete die Klägerin in der Bilanz zum 31.12.2004 eine Rückstellung, die sich auf … € belief. Im Vergleich zu dem Bilanzansatz des Vorjahres nahm die Klägerin im Streitjahr 2004 eine Zuführung zu dieser Rückstellung in Höhe von … € vor. Das FA führte bei der Klägerin für die Jahre 2004 - 2007 in der Zeit vom 23.03.2009 bis zum 28.07.2009 eine Betriebsprüfung durch. Im Verlaufe dieser Betriebsprüfung legte die Klägerin das Angebot eines Abbruchunternehmens vom … vor. In diesem bezifferte das Abbruchunternehmen die voraussichtlichen Kosten für die Beseitigung der Baulichkeiten auf dem Grundstück … auf … €. Hinzu kamen weitere Kosten in geschätzter Höhe von 5.000 € für die Einholung eines Gutachtens, um die Frage zu klären, ob der Boden und das Grundwasser durch das Unternehmen der Klägerin kontaminiert worden ist. Hiervon ausgehend ermittelte die Betriebsprüfung zum Stichtag 31.12.2004 einen Rückstellungsbetrag für Abbruchkosten, den sie mit einem Zinssatz von 5,5 % abgezinst hat. Danach ergab sich nach Auffassung der Bp. ein zum 31.12.2004 rückstellungsfähiger Betrag i.H.v. … €.
Da die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31.12.2004 eine Rückstellung für Abbruchverpflichtung i.H.v. … € ausgewiesen hatte, errechnete die Betriebsprüfung einen Mehrgewinn. Das FA folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und setzte durch geänderte Bescheide vom 17.09.2009 die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2004 erhöht fest. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie eine Erhöhung der bisher gebildeten Rückstellung für Rückbaumaßnahmen auf … € begehrt. Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, ursächlich für die Entstehung der Abbruchverpflichtung sei der Pachtvertrag aus dem Jahre 1984 gewesen. Dieser sei durch die Ausübung von Verlängerungsoptionen und späteren Neuabschluss mehrfach verlängert worden. Für den anzuwendenden Ansammlungszeitraum sei maßgeblich, welcher Zeitraum bei Abschluss des ursprünglichen Unterpachtvertrags als voraussichtlicher Nutzungszeitraum anzusehen gewesen sei. Die Klägerin habe die Rückstellung nach Maßgabe der ursprünglich zu erwartenden Nutzungsdauer spätestens bis zum Jahr 1996 in vollem Umfang angesammelt. Spätere Vertragsverlängerungen hätten nicht zu einer Verlängerung des Ansammlungszeitraums geführt. Die Ansammlungsrückstellung sei entsprechend der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Grundstückes zu berechnen, mit der der Steuerpflichtige bei Eingehung der Verpflichtung kalkuliert habe. Nicht entscheidend sei die tatsächliche Nutzungsdauer, die von ungewissen Bedingungen und zufälligen zukünftigen Ereignissen abhänge. Für die vom FA zum Bilanzstichtag 31.12.2004 vorgenommene Auflösung und Anpassung der Rückstellung auf die neue Nutzungsdauer (30.06.2018) fehle es an einem sachlichen Grund.
Die Klage ist begründet (FG Niedersachsen, Urteil vom 10.5.2012 – 6 K 108/10). Die Revision ist zugelassen. Soweit das FA in dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2004 sowie dem Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2004 die Steuer bzw. den Messbetrag unter Berücksichtigung eines (Rückstellungs-)Betrages per 31.12.2004 vor Abzinsung in Höhe von … € anstatt - wie von der Klägerin nunmehr begehrt - in Höhe von … € ermittelt hat, ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Errichtet ein Mieter auf fremden Grund und Boden bauliche Anlagen, so ist er, sofern mit dem Vermieter keine anders lautende Vereinbarung getroffen worden ist, zivilrechtlich verpflichtet, die Anlagen bei Ende des Mietverhältnisses zu beseitigen. Besteht für den Mieter eine Entfernungsverpflichtung, muss er für die anfallenden Abbruchkosten in der Handelsbilanz und der Steuerbilanz eine Rückstellung ausweisen. Es handelt sich dabei um eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit. Die Rückstellung ist in der Steuerbilanz (nur) in Höhe der am jeweiligen Bilanzstichtag zu erwartenden Abbruchkosten zu bilden. Zu erwartende Preissteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt sind steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen, wie der Gesetzgeber zwischenzeitlich in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG ausdrücklich geregelt hat. Gleiches gilt auch für Veranlagungszeiträume vor 2009.