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Aktuelle Entscheidung zum Betriebsverfassungsrecht

09.01.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Was Arbeitgeber bei Betriebsratsanhörungen gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG im Jahr 2013 beachten können ++ Höchstrichterliche Rechtsprechung mit Bedeutung für jede Form der Kündigung in einem Betrieb mit Betriebsrat.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsverfassungsrecht. Im Detail geht es um die höchst praxisrelevante Betriebsratsanhörung bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG und die damit verbundenen Rechtsfragen. Angesichts der Bedeutung dieser Vorschrift für jede Form der Kündigung in einem Betrieb mit Betriebsrat sind Arbeitgeber gut beraten, über die diesbezüglich vorliegende aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung informiert zu sein.

Einleitung

Entschließt sich der Arbeitgeber zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und besteht in seinem Betrieb ein Betriebsrat, muss er diesen beteiligen. Indes geht es dabei nicht um zwingende Mitbestimmung, d. h. der Arbeitgeber bedarf in der Regel nicht der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung. Vielmehr sieht § 102 Abs. 1 BetrVG die Anhörung des Betriebsrats vor und gibt diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Kündigung darf dann erst ausgesprochen werden, wenn im Falle der außerordentlichen fristlosen Kündigung innerhalb von drei Tagen und bei einer ordentlichen fristgerechten Kündigung innerhalb von einer Woche keine Rückmeldung des Betriebsrats vorliegt oder dieser sich innerhalb der jeweiligen Frist abschließend geäußert hat.

Die oft als bloße Formalie verkannte Betriebsratsanhörung hat es dabei durchaus in sich: Ihre ordnungsgemäße Durchführung ist neben der sozialen Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) weitere Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Damit birgt sie zusätzliches Risikopotential für den Arbeitgeber. Umso wichtiger ist deswegen die penible Beachtung der für sie geltenden Vorschriften. Denn es erweist sich in der Praxis als äußerst ärgerlich, wenn die Kündigung, obwohl z. B. als betriebsbedingte "eigentlich" wirksam, "bloß" an der unterbliebenen oder fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats scheitert.

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Der Arbeitgeber sieht sich deswegen mit der nicht eben einfachen Aufgabe konfrontiert, diese stets perfekt vorbereiten zu müssen. Fehlerquellen gibt es dabei zuhauf. Neben dem gänzlichen Unterbleiben der Anhörung sind es inhaltliche Themen, z. B. zur ausreichenden Darstellung des Kündigungsgrundes, die im Prozess eingewandt werden. Darüber hinaus tauchen, wie so häufig im nicht in der Tiefe kodifzierten Arbeitsrecht, immer wieder neue Rechtsfragen auf.

Geht es etwa um die Übermittlung des Anhörungsschreibens an den Betriebsrat, ist § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zu beachten. Demnach ist regelmäßig der Vorsitzende bzw. dessen Stellvertreter empfangszuständig, d. h. an ihn ist das Schreiben zu übergeben. Möglich ist aber z. B. auch, dass der Betriebsrat ein anderes Mitglied zur Entgegennahme ermächtigt hat.

Was ist nun die Konsequenz, wenn eine der genannten Personen auf Betriebsratsseite das Anhörungsschreiben von einer ihr "unbekannten" Person erhält? Kann der Betriebsrat die Anhörung vergleichbar dem Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung gemäß § 174 Satz 1 BGB mit der Folge der Unwirksamkeit zurückweisen, weil der die Anhörung Übermittelnde keine Vollmacht des Arbeitgebers vorlegt? Die Frage war soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich geklärt. In seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2012 (a.a.O.) hat sich das Bundesarbeitsgericht nunmehr mit dieser Fallkonstellation befasst.

Sachverhalt

In dem vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) zu beurteilenden Fall ging es um die bei einem griechischen Luftfahrtunternehmen als "Sales Representative" beschäftigte Klägerin, die gegen die mit der Schließung der deutschen Standorte der Beklagten begründeten Kündigung geklagt hatte. Dabei war für die ausländische Beklagte eine Sonderliquidatorin tätig, über deren Rechtsanwalt dem für die Klägerin zuständigen Betriebsrat die Anhörung übergeben wurde. Ein Vollmachtsnachweis des handelnden Rechtsanwalts war dem Anhörungsschreiben nicht beigefügt.

Der Betriebsrat wies die Anhörung unter Verweis hierauf zurück. Gegen die anschließend ausgesprochene Kündigung wandte die Klägerin ein, diese sei mangels Betriebsratsanhörung unwirksam. Ursache hierfür sei, dass dem Anhörungsschreiben eine Vollmacht für den handelnden Rechtsanwalt hätte beigefügt werden müssen. Nachdem das Arbeitgericht die Klage abgewiesen hatte, gab das Landearbeitgericht ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr Erfolg.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied auf die Revision der Beklagten zu deren Gunsten, dass die Betriebsratsanhörung in diesem Fall nicht analog § 174 Satz 1 BGB wegen fehlenden Vollmachtsnachweises habe zurückgewiesen werden können. Dem stehe der Zweck des Anhörungserfordernisses entgegen. Das Verfahren nach § 102 BetrVG sei nicht an Formvorschriften gebunden. Eine mündliche oder telefonische Anhörung sei möglich.

Auch in einem solchen Fall beginne die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen. Habe der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung der ihm gegenüber bei der Anhörung auftretenden Person, könne er sie nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber äußern.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen zu begrüßen. Sie aktualisiert zunächst die wesentliche Bedeutung einer wirksamen Betriebsratsanhörung bei der Kündigungsvorbereitung und gibt Anlass, dieses gemäß § 102 BetrVG bestehende Erfordernis stets ernst zu nehmen, um nicht bereits vor der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung im engeren Sinne, d. h. nach den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes, ein Unterliegen im Prozess zu riskieren.

Zugleich bringt sie Rechtssicherheit für den Arbeitgeber insoweit, als dass er den Einwand der Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung mangels Vorlage einer Vollmacht bzw. die Zurückweisung der Anhörung analog § 174 Satz 1 BGB zukünftig nicht mehr fürchten muss. Zurückgewiesen wurde dagegen allein die gegenteilige Ansicht zu dieser Frage, mit der Arbeitnehmern weiteres Potential zur Abwehr der Kündigung an die Hand gegeben worden wäre. Soweit das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer mündlichen oder telefonischen Anhörung hinweist, sollte dieser Weg in der Praxis gleichwohl nicht gewählt werden.

Es empfiehlt sich ungeachtet der fehlenden Formerfordernisse vielmehr, die Betriebsratsanhörung schon aus Beweisgründen stets schriftlich durchzuführen und sich darüber hinaus von der das Schreiben entgegennehmenden Person den Empfang unter Angabe von Datum und gegebenenfalls auch Uhrzeit bestätigen zu lassen. Je nach Lage des Falles kann es dann zweckmäßig sein, zusätzlich noch einmal mündlich anzuhören oder einzelne Informationen zu ergänzen. Ungeachtet der hier besprochenen Klarstellung durch das Bundesarbeitsgericht steht schließlich zu erwarten, dass auch zukünftig neue Einwände betreffend die Betriebsratsanhörung Eingang in die Diskussion finden werden.

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