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AKK betritt Neuland: Was im Internet erlaubt sein soll

12.06.2019  — Markus Hiersche.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Der bekannte YouTuber Rezo mischt mit dem Video „Die Zerstörung der CDU“ die Politik auf. Sein Vorwurf: Die CDU riskiert mit ihrem Verhalten die Zukunft der jungen Generation. Es zeigt sich ein Generationenkonflikt: Denn während die junge Generation endlich ernst genommen werden will, findet Annegret Kramp-Karrenbauer die falschen Antworten. Ein Kommentar.

Das Internet ist für uns alle Neuland“. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Juni 2013 das Internet entdeckte, war der Spott in den sozialen Medien groß: Wochenlang lachte die junge Netzgemeinde, für die Smartphone und World Wide Web ebenso selbstverständlich dazugehören wie die linke Hand zum eigenen Körper, über die anscheinend noch in vormodernen Zeiten lebende Vorsitzende der Christdemokraten. Jahre später zeigt sich nun: Auch die neue CDU-Parteichefin, Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), ist noch nicht im Jahre 2019 angekommen, wie ihr Umgang und der Umgang ihrer Partei mit einem YouTuber zeigt. Sie offenbarte vielmehr eine große Medieninkompetenz und forderte von sich politisch äußernden YouTuber*innen dieselben Standards ein wie von Journalist*innen. "Meinungsmache" im Internet müsse reguliert werden, wie die Parteichefin in einem verklausulierten Interview bekannt gab.

Ein YouTuber mischt die politische Debatte auf

Doch der Reihe nach. Auslöser um den Streit um AKK ist ein knapp einstündiges Video des erfolgreichen YouTubers „Rezo“ mit dem sprechenden Titel „Zerstörung der CDU“. Sein selbsterklärtes Anliegen:

„Ich werde in diesem Video zeigen, wie CDU-Leute lügen, wie ihnen grundsätzliche Kompetenzen für ihren Job fehlen, wie sie gegen deutliche Expertenmeinungen Politik machen, wie sie sich augenscheinlich an verschiedenen Kriegsverbrechen beteiligen, wie sie Propaganda und Unwahrheiten gegen die junge Generation einsetzen, wie bei ihrer Politik die letzten Jahrzehnte die Reichen immer mehr gewinnen und alle anderen immer mehr ablosen, und ich zeige, dass nach der Expertenmeinung von zigtausenden deutschen Wissenschaftlern die CDU aktuell unser Leben und unsere Zukunft zerstört.“

Tatsächlich führt Rezo in den folgenden gut 50 Minuten Politikbereiche auf, in denen die CDU (und mit ihr auch die SPD) aus Sicht „der jungen Leute“ völlig versagt: Sozialpolitik, Klimawandel, Bildungspolitik, Außenpolitik und Urheberrecht. Seine Thesen belegt Rezo sorgfältig und vorbildlich mit Quellen. Zwar sind nicht alle Schlüsse des YouTubers unbedingt richtig und bedürfen einer differenzierteren Betrachtung, doch zeigt das Video eines eindrücklich – die Unzufriedenheit der jungen Generation mit der Politik. Rezo sagt dies auf seine Weise:

„Ihr sagt doch immer, dass die jungen Leute mehr Politik machen sollen, dann kommt doch damit klar, wenn die jungen Leute eure Politik scheiße finden.“

Schweigen, Ablehnung – und ein PDF

Erstaunlich mutet die Reaktion der CDU-Führung auf das beliebte YouTube-Video an, das immerhin von Millionen aufgerufen wurde. Nach Schweigen folgten abschätzige Bemerkungen zahlreicher CDU-Politiker über den jungen YouTube-Star, als Höhepunkt veröffentlichte das Konrad-Adenauer-Haus auf der CDU-Homepage ein Faktenblatt als PDF, in dem sie sich zu verteidigten suchten. Allein dieses Vorgehen zeigt, wie es um die großen Volksparteien, die immer mehr an Einfluss gerade unter Jüngeren verlieren, steht: Der Umgang mit jungen Leuten im Netz ruft nur Ratlosigkeit und Unverständnis hervor.

AKK will Regeln gegen „Meinungsmache“

Höhepunkt des Unvermögens, sich in die Gedankenwelt junger, netzaffiner Menschen zu versetzen, bildeten dann AKKs Worte auf einer Pressekonferenz. Den Vergleich zu klassischen Medien ziehend, erklärte sie fast beleidigt:

"Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen."

Es brauche also auch für das Netz Regeln. Von vielen wurde das als Aufruf verstandene, politische Meinungsäußerungen im Netz im Vorfeld von Wahlen zu beschränken. Ein Affront, der anlässlich der Feiern zu „70 Jahre Grundgesetz“ nochmals an Bedeutung gewinnt. Natürlich ruderte AKK umgehend zurück. Selbstverständlich habe man ihre Aussagen falsch verstanden. Sie stehe zu Meinungsvielfalt und freier Meinungsäußerung.

Und doch zeigt, dass die CDU-Vorsitzende Grundlegendes nicht verstanden hat: Anstatt sich mit den Positionen auseinanderzusetzen und eine Strategie zu entwerfen, wie gerade junge Leute (nur bei den über 60 Jährigen erzielte die CDU bei den Europawahlen noch ein Spitzenergebnis) gewonnen werden können, beschäftigt sich die Christdemokratin mit Gedankenspielen, wie sie „Meinungsmache“ von YouTuber*innen künftig einschränken kann. Dass sie damit erneut der Generation „Internet“ ins Gesicht schlägt, scheint ihr egal.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich muss auch das Netz reguliert werden und ist kein rechtsfreier Raum. Die Einhaltung einer Nettiquette, das Auftreten, Schreiben und Kommentieren unter Klarnamen (und nicht unter Pseudonymen), der Schutz von Urheberrechten sind durchaus wichtige Anliegen, doch all das betrifft das Rezo-Video nicht: Er wurde weder besonders ausfallend, zeigte Gesicht und gab sogar Quellen an.

Was stattdessen zu tun ist

Statt sich also über sich politisch äußerende YouTuber*innen zu beklagen und eigene Wunden zu lecken, sollte sich die CDU-Führung (die SPD sei mitgemeint) den tatsächlichen Problem widmen und die Interessen der jungen Generation stärker berücksichtigen. Nur so haben die Volksparteien eine Zukunft.

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