18.10.2011 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Kläger gab 1995 die Einkommensteuererklärung für 1994 ab. Das für die Besteuerung des Klägers damals zuständige Finanzamt setzte die Einkommensteuer zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. 1998 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Gegenstand der Prüfung war auch die Einkommensteuer für 1994. Im Bericht über die Außenprüfung wird u.a. festgestellt, eine Schlussbesprechung habe am 9.6.1998 stattgefunden. Nach der Schlussbesprechung seien noch weitere Ermittlungen durchgeführt worden, zuletzt am 25.6.1998. Gegen die Berichtsfeststellungen erhob der Kläger Einwände. Er bestritt u.a., dass am 9.6.1998 eine Schlussbesprechung stattgefunden habe. Es habe sich zumindest nicht um eine förmliche Schlussbesprechung gehandelt. Im September 2000 reagierte das Prüfungsfinanzamt auf die Einwendungen des Klägers mit einem Ergänzungsbericht über die "in der Zeit vom 3.3.1998 bis 25.6.1998" durchgeführte Prüfung. Die Einwendungen wurden zurückgewiesen. Abweichend von dem ursprünglichen Bericht räumte die Prüferin aber ein, dass eine Schlussbesprechung nicht durchgeführt worden sei. Die letzten Ermittlungen hätten am 15.9.2000 stattgefunden. Der Beklagte (das FA) erließ am 4.12.2003 einen nach Maßgabe der Prüfungsergebnisse geänderten Einkommensteuerbescheid für 1994. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger u.a. die Verletzung von Bundesrecht. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 4.12.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.8.2004 aufzuheben. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 28.6.2011, VIII R 6/09). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Das FG hat zur Begründung u.a. ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, ob eine Schlussbesprechung stattgefunden habe. Letzte Ermittlungen hätten jedoch noch im Jahr 2000 stattgefunden. Das ergebe sich daraus, dass die Prüferin vor Anfertigung des Ergänzungsberichts, also in der Zeit zwischen dem 25.6.1998 und dem 18.9.2000 "intensiv in die Sachverhaltsaufklärung eingestiegen sei". So habe sie erstmals bezüglich eines antiquarisch erworbenen Bildes ermittelt. Freiwillige soziale Leistungen, die im ersten Bericht noch geschätzt worden seien, habe sie nach Auswertung von Teilnehmerlisten und Bewirtungsrechnungen beziffert. Weitere Ermittlungen hätten sich bezogen auf sonstige Raumkosten und Werbungskosten. Die Schätzung der abziehbaren Reisekosten habe sie ersetzt durch eine Ermittlung der nicht abziehbaren Reisekosten aufgrund der Reiseunterlagen für unternommene Reisen. Ferner habe sie Aufwendungen für Fremdarbeiten aufgrund der vom Kläger eingereichten Belege akzeptiert und sei "noch einmal in die Prüfung der Aufwendungen für Fachliteratur" eingestiegen. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, dass diese Ermittlungen bereits im Jahr 1998 abgeschlossen gewesen seien. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Gemäß § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Was unter "letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls ist nach dem Wortsinn der Vorschrift ein Zusammenhang mit der Außenprüfung erforderlich. Deshalb reicht der bloße Blick in die beim Finanzamt vorhandenen Akten nicht aus; er steht dem Finanzamt jederzeit offen, ohne dass es einer Außenprüfung bedürfte. Ferner handelt es sich auch dann nicht um Ermittlungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn bereits ermittelte Tatsachen lediglich einer erneuten rechtlichen Würdigung unterzogen werden. Letzte Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung setzen vielmehr Maßnahmen des Prüfers oder des Finanzamts voraus, die darauf gerichtet sind, bisher noch nicht bekannte Sachverhaltselemente festzustellen, etwa indem der Prüfer Unterlagen anfordert, den Steuerpflichtigen in irgendeiner anderen Weise zur Mitwirkung auffordert oder vom Steuerpflichtigen nachgereichte Unterlagen auswertet. Aufgrund der systematischen Parallele zur Durchführung einer Schlussbesprechung, die ebenfalls nach dieser Vorschrift die Festsetzungsfrist neu in Gang setzt, ist ferner erforderlich, dass der Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlungen im Interesse der verjährungsrechtlichen Rechtssicherheit eindeutig feststeht. Notfalls ist er vom Finanzamt nachzuweisen. Nach diesen Maßstäben kann das angefochtene Urteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Beurteilung des FG nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen untermauert ist. Aus dem Umstand allein, dass die Prüferin in ihrem Ergänzungsbericht vom 18.9.2000 Ausführungen gemacht hat, die inhaltlich über die Ausführungen im ersten Bericht hinausgehen, kann nicht geschlossen werden, dass noch bis in das Jahr 2000 letzte Ermittlungen stattgefunden haben. Zum einen hat das FG nicht festgestellt, welche Ermittlungshandlungen wann stattgefunden haben sollen. Zum andern lässt sich aus der Gegenüberstellung der beiden Berichte aber auch der Sache nach nicht darauf schließen, dass überhaupt Ermittlungen stattgefunden haben. Unstreitig hat die Prüferin vor Ort nach dem 25.6.1998 keine Ermittlungen mehr durchgeführt. Aus den Akten ergibt sich nicht, dass sie Unterlagen von den Klägern angefordert oder die Kläger zur Mitwirkung in irgendeiner Weise aufgefordert hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kläger bis dahin fehlende Unterlagen oder Belege im Einwendungsverfahren nachgereicht hätten, die das FA ausgewertet haben könnte.
Der Senat kann aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen nicht selbst entscheiden, ob der Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1994 nach Ablauf der Festsetzungsfrist geändert worden ist. Das FG wird die fehlenden Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen und über die Frage der Verjährung erneut entscheiden müssen.
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